Grappa 07 - Killt Grappa
mich nicht besonders intelligent an. »Grappa, du nervst! Was willst du eigentlich? Die Frau hat doch gestanden.«
»Überleg doch mal«, ereiferte ich mich, »sie hat ein Zimmer im Birkenhof, hatte getrunken und Angst vor ihrem Mann. Warum sollte sie freiwillig nach Hause zurückfahren?«
»Vielleicht hat dieser Vermeulen sie weggeschickt«, vermutete Turkey.
»Wäre möglich. Vielleicht ist Vermeulen auch mitgefahren. Außerdem – denk doch mal an die Zeit! Eva fährt gegen Mitternacht vom Birkenhof ab, die Straßen sind frei, sie braucht kaum dreißig Minuten für den Weg. Sie kommt also gegen halb eins nachts in Bierstadt an. Ihr Mann schläft. Sie dreht durch, greift sich ein Skalpell, das zufällig in der Wohnung herumliegt und macht sich ans Werk. Sie schlachtet ihren Mann anderthalb Stunden lang ab und als Krönung des Ganzen beraubt sie ihn seiner edlen Teile? Guck dir die Frau doch noch mal an! Hier!« Ich reichte Trukey die Fotos.
»Die Frau ist völlig labil, unfähig, Entscheidungen zu treffen, außerstande, irgendwas vernünftig zu planen. Und die Chose war generalstabsmäßig ausgearbeitet. Grid hatte Psychopharmaka und jede Menge Alkohol zu sich genommen. Lagen die Pillen etwa auch zufällig in der Hütte herum, genau wie das Skalpell? Die Wirkung der Tabletten hatte voll eingesetzt, als Grid starb.«
»Dann hat sie ihn eben geweckt, ihm die Pillen in den Drink getan und ihn dann geschlachtet. Das würde auch die anderthalb Stunden erklären.«
»Würde es«, stimmte ich zu, »aber wenn es so war, warum hat sie's nicht erzählt? Und wenn es nicht so war, wer hat ihm dann die Pillen gegeben?«
»Sie vielleicht!« Turkey hatte ein Foto vom Tisch gegriffen. Es zeigte Else Ambrosius, wie sie schwesterlich den Arm um Eva Grid legte. Die Wangen der beiden Freundinnen berührten sich. Es war ein Bild von gestern Abend.
»Endlich hast du kapiert«, atmete ich auf. »Ein wirklich rührendes Foto. Frauenfreundschaft ist was ganz Besonderes. Mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich mitbekomme, wie gut sich zwei Menschen verstehen.«
Ärger wegen Quasimodo
Die Haushälterin verhielt sich in den Tagen nach dem Geständnis völlig korrekt, besuchte ihre Freundin in der U-Haft, erreichte sogar, dass Eva Grid aufgrund ihrer labilen seelischen Verfassung ins Gefängniskrankenhaus verlegt wurde. Ein Antrag auf Haftentlassung bis zum Beginn des Prozesses lag bei Gericht vor – doch bei einer Mordanklage hatte ein solcher Antrag so gut wie keine Erfolgsaussichten. Eva blieb also zunächst gut verwahrt.
Diese Tatsache erleichterte mich. Aber warum? Weil Eva dem Einfluss von Else Ambrosius und Jaap Vermeulen entzogen war? Welche Rolle spielte der Körpertherapeut überhaupt in der Sache?
»Ich brauche eine Besuchserlaubnis fürs Gefängniskrankenhaus«, teilte ich Nik Kodil am Telefon mit. »Was muss ich tun, um eine zu kriegen?«
»Nichts«, lautete die schlichte Antwort. »Du kriegst keine. Die Frau sitzt immerhin in U-Haft, nur ihr Anwalt oder nahe Verwandte dürfen da rein. Auch Else Ambrosius wird inzwischen nicht mehr zu ihr gelassen. Was willst du übrigens von ihr? Die Sache ist doch so gut wie abgeschlossen. Wir haben ein astreines Geständnis.«
»An das ich nicht die Bohne glaube«, entgegnete ich.
»Du bist nur sauer, dass die Story für dich gestorben ist«, vermutete Nik. »Ich dagegen bin froh, dass ich den Fall ablegen kann. Zumal die enge Zusammenarbeit mit Baißer damit beendet ist. Wie wär's mit einem Ausflug ins Grüne? Ich könnte Überstunden abfeiern.«
»Sofort?«
»Klar.«
»Wohin?«
»Die Gegend um den Birkenhof gefällt mir eigentlich ganz gut«, behauptete Kodil.
Eine knappe Stunde später stapften wir über Waldboden.
»Weißt du eigentlich, dass dies unser erster Spaziergang in der Öffentlichkeit ist? Sonst haben wir uns immer nur in deiner oder meiner Wohnung verkrochen. Ich hatte schon gedacht, du schämst dich meiner.«
»Dummkopf! Warum sollte ich?«
»Ich weiß nicht. Sag's mir!« Er sah mich erwartungsvoll an.
»Na gut, ich geb's zu. Das liegt an deinem Buckel, dem dritten Auge auf der Stirn, den Pestbeulen und dem verkrüppelten Bein. Reicht das als Grund, du Quasimodo?«
»Wer ist Quasimodo?«
»Ein Gnom, der im Mittelalter in der Kathedrale von Notre Dame als Glöckner gearbeitet hat. Er sah dir verblüffend ähnlich. Victor Hugo hat eine spannende Geschichte dazu geschrieben.«
»Den kenn ich auch nicht«, sagte Nik kläglich.
»Macht doch nichts«,
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