Grappa 07 - Killt Grappa
dessen Ruf über jeden Zweifel erhaben war. Seine Kanzlei hatte nicht diese sterile Arztpraxisatmosphäre, die heutzutage bei Rechtsverdrehern angesagt ist. Kein Computer, sondern mechanische Schreibmaschinen standen auf den Tischen herum. Die Einrichtung war Eiche stabil, und das seit 30 Jahren.
Else Ambrosius hatte Lasky um die Verteidigung ihrer Freundin gebeten. Lasky war als Strafverteidiger eigentlich kaum in Erscheinung getreten, so hatte ich erfahren; seine Stärke lag in der notariellen Überwachung von Verträgen und der Beglaubigung von Dokumenten.
Der ältere Herr hatte die Sechzig weit überschritten – stellte ich bei meinem Besuch fest. Um Eva aus der Patsche zu helfen, wäre eigentlich ein jüngeres Modell geeigneter, dachte ich. Jemand, der Richter und Staatsanwalt kräftig in die Waden beißt und alle Tricks der Welt kennt.
»Ich muss dringend mit Eva Grid sprechen«, eröffnete ich meine Rede. »Es gibt da ein paar Ungereimtheiten, die Sie auch interessieren dürften. Wer hat Grid die Tabletten vor seinem Tod eingeflößt? Was hat Eva anderthalb Stunden in der Wohnung gemacht? Warum hat sie ihn verstümmelt und die Hoden im Eisfach abgelegt? Ich glaube, dass Ihre Mandantin unschuldig ist.«
»Sie hat die Tat aber gestanden«, sagte Lasky. »Ich werde im Prozess auf Totschlag plädieren. Im Affekt.«
»Das wird der Staatsanwalt nicht mitmachen«, wandte ich ein. »Er wird dieselben Fragen stellen wie ich. Und wenn Frau Grid gesteht, ihrem Mann die Tabletten gegeben zu haben, wird der Staatsanwalt auf Mord plädieren. Denn zum Mord gehört die kaltblütige Vorbereitung, die Heimtücke und die Arglosigkeit des Opfers. Das muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen. Und Grid war ja wohl arglos, wenn er vollgedröhnt in seinen Kissen gelegen hat und sich nicht wehren konnte. Oder täusche ich mich?«
Lasky wurde immer reservierter. »Wie ich meine Arbeit mache, müssen Sie schon mir überlassen«, sagte er scharf. »Ich werde alles Notwendige tun, um meiner Mandantin zu helfen. Und jetzt: guten Tag!«
Dann eben nicht, dachte ich und suchte das Weite.
Die nächste auf meiner Liste war Else Ambrosius. Ich musste über sie mehr über Jaap Vermeulen herausbekommen. Vielleicht hatte ich bei der Hausdame mehr Glück als bei dem Advokaten.
Als ich an der Villa der Grids klingelte, fragte ich mich plötzlich, wer eigentlich das Vermögen des Toten bekommen würde. Immerhin hatte Grid zu Lebzeiten einiges an Werten zusammengerafft.
»Schön, dass Sie mich aufsuchen«, begrüßte mich Else Ambrosius. »Ich habe gerade Tee gekocht. Herr Vermeulen ist auch da; wir grübeln seit Stunden, wie wir unsere Eva aus dem Gefängnis bekommen können. Ihr Anwalt hat berichtet, dass sie völlig verzweifelt ist.«
Als ich in der guten Stube der Grids stand, wunderte ich mich, wie häuslich es sich die beiden hier eingerichtet hatten. Jaap Vermeulen lag auf dem Sofa, über den Beinen eine Wolldecke in wildem Karomuster. Er nuckelte an einer Pfeife und stieß ab und zu kleine Rauchwölkchen aus. Auf dem Couchtisch Gebäck und Teetassen, daneben Räucherkerzen. Aus der Stereoanlage tönten keltische Harfenklänge. Wolkenkuckucksheim für Radfahrer.
»Wohnen Sie beide jetzt hier?«, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen.
»Nein«, meinte Frau Ambrosius schnell. »Ich bin hierher gezogen. Natürlich nur vorübergehend. Der große Besitz kann schließlich nicht ohne Betreuung bleiben. Herr Vermeulen ist nur hier, um mich zu beraten. Schließlich ist er Evas Therapeut und weiß, was in der Armen vorgeht.«
»Und was ist bei Ihren Beratungen herausgekommen?«, fragte ich.
»Leider noch nicht viel. Wir konnten Eva leider nicht davon abbringen, den Mord zu gestehen. Sie wollte reinen Tisch machen.«
Ich dachte an das Gespräch zurück, dass ich beim ersten Besuch des Birkenhofes belauscht hatte. Damals hatte ich von Evas Drang, sich zu offenbaren, nichts bemerkt.
»Das kann ich verstehen«, behauptete ich trotzdem und trank artig einen Schluck aus der Tasse, die mir Else Ambrosius hingestellt hatte. »Welche Art Therapie hatte Eva eigentlich bei Ihnen gebucht, Herr Vermeulen?«
Vermeulen schreckte hoch. Er hatte nicht damit gerechnet, von mir angesprochen zu werden. Das große Wort führte nämlich Else Ambrosius.
»Befreiung durch Körpersprache«, nuschelte er.
»Sagt mir gar nichts«, meinte ich freundlich, »können Sie's mir erklären?«
»Bestimmte Verhaltensweisen bei Menschen können durch Training von
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