Grappa 07 - Killt Grappa
tröstete ich ihn, »belaste dein hübsches Köpfchen nicht mit solchem Zeug. Dafür kennst du dich in anderen Dingen gut aus.«
»Du hältst mich für hübsch, aber doof, nicht wahr?« Nik war im Gegensatz zu mir zum Streiten aufgelegt. Das musste die frische Waldluft sein.
»Hör auf«, winkte ich ab, »ich habe keine Lust auf Stress.«
»Selbstverständlich. Nik ist nicht nur hübsch und doof, sondern soll auch unkompliziert sein.« Der Satz triefte vor Ironie. Ein völlig neuer Zug bei ihm, dachte ich überrascht.
»Hör zu, Nik. Ich kann nichts dafür, dass du Probleme mit deinem Selbstbewusstsein hast. Damit musst du selbst fertig werden. Ich bin deine Freundin und nicht deine Therapeutin. Wenn du das nicht so sehen solltest, dann sag es mir bitte!«
»Doch. Alles ist so, wie du es willst.« Er hatte die Waffen gestreckt. Wenigstens für den Moment.
»Lass uns zurückgehen«, schlug ich vor. Die Stimmung war sowieso im Eimer. »Mir ist kalt.«
Schweigend drehte sich Kodil auf dem Absatz um; wir trotteten Richtung Auto. Während der Heimfahrt wechselten wir keine drei Worte.
Zu Hause angekommen schminkte ich mich ab, nahm ein langes, heißes Schaumbad und schlüpfte in meine Gammelkluft. Verdammte Männer, grollte ich, erst wollen sie unkomplizierte Beziehungen ohne Verantwortung, und wenn sie sie haben, dann ist es auch wieder nicht okay.
Ich dachte an den Tag zurück, an dem ich Nikolaus Kodil kennengelernt hatte. Es war im Hochsommer gewesen, mit karibischen Temperaturen, und die Menschen begannen durchzudrehen. Als die Nachricht in einen schlaffen Redaktionstag platzte, dass ein Bankräuber in einer kleinen Bankfiliale die Angestellten und einige Kunden mit einer Schusswaffe bedrohte, war ich schnell zum Tatort gefahren. Mit meinem Presseausweis gelangte ich durch die Polizeiabsperrung und stand mir zusammen mit Berufskollegen die Beine in den Bauch. Nichts passierte hinter den Leichtmetallrollos des Geldinstitutes. Der Einsatzleiter forderte den Räuber auf, aufzugeben. Zwischendurch telefonierte ein Psychologe mit dem Mann in der Bank. Die Sonne brannte mir aufs Haupt, ich hatte wahnsinnigen Durst, konnte aber nicht weg, weil jeden Augenblick etwas Entscheidendes passieren konnte.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte ein Stimme hinter mir. Ein junger Mann mit umwerfendem Lächeln reichte mir eine Cola.
»Aber immer!«, sagte ich forsch und griff hastig nach der Getränkedose.
»Von welcher Zeitung sind Sie?«, fragte ich, nachdem ich die halbe Dose intus hatte.
»Ich bin Kriminalbeamter«, gab er zu. »Mein Name ist Nikolaus Kodil.«
»Nikolaus? Wie hübsch! Deshalb schmeißen Sie mit guten Gaben um sich!« Ich deutete auf die Coladose in meiner Hand.
»Braven Mädchen bringt der Nikolaus doch gerne was«, lächelte er und zeigte seine weißen, geraden Zähne. »Sie waren doch brav, oder?«
»Ich habe das Bravsein erfunden. Und Sie haben's gleich bemerkt. Wie clever.«
In diesem Augenblick fiel ein Schuss in der Bank. Kodil lief zu seinen Kollegen, die in hektische Aktivitäten ausbrachen. Der Einsatzleiter hatte wohl den Befehl gegeben, die Bank zu stürmen.
Als die Jungs vom Sondereinsatzkommando, gewandet in olivgrüne Overalls, das Gebäude umstellten, fasste mich Kodil am Arm und sagte: »Treten Sie bitte ein bisschen zurück, der Geiselnehmer ist bewaffnet.« Es klang nett und besorgt.
Bisher hatten mich die Bullen bei solchen Aktionen nicht unbedingt mit Glacéhandschuhen angefasst. Mehr als einmal war ich nach solchen Blaulichteinsätzen mit blauen Flecken, Beulen und einer Portion Wut im Bauch nach Hause gekommen.
An diesem Tag war der Spuk nach zwanzig Minuten beendet. Die Polizei befreite die Bankangestellten und die Kunden, der Geiselnehmer wurde überwältigt. Er wurde als 35-jähriger arbeitsloser Maurer identifiziert, der seine Stütze auf unkonventionelle Art ein wenig aufbessern wollte. Der Schuss entpuppte sich später als Fehlzündung eines Autos, das an der Rückseite der Filiale vorbeigefahren war. Der Maurer hatte seine Geiseln nur mit einer Spielzeugpistole in Schach gehalten.
Nikolaus Kodil hatte mich am nächsten Tag angerufen und sich begeistert über meinen Bankräuber-Artikel geäußert. Da ich für Schmeicheleien leider sehr anfällig bin, lud ich ihn zum Dank zum Essen in das beste italienische Restaurant in Bierstadt ein. So hatte das damals begonnen.
Heimtücke und Arglosigkeit?
Otto Lasky war Eva Grids Verteidiger. Er war ein seriöser Anwalt,
Weitere Kostenlose Bücher