Grappa 07 - Killt Grappa
unterdrücken. Wenigstens hatte er sie in der Reihenfolge ihres Auftauchens in der Weltgeschichte aufgezählt.
»Ist ja toll«, sagte ich im Brustton der Bewunderung. »Und woher wissen Sie das? Haben die sich vorgestellt?«
»Ich habe sie erkannt, als sie ausgefahren sind. Und jetzt kommt die Probe.« Der Pater holte aus einem Kästchen eine Hostie, bekreuzigte sich und gab den Helfern ein Zeichen. Sie zwangen die Frau, den Mund zu öffnen. Der Pater legte ihr die geweihte Oblate auf die Zunge. Die Frau wehrte sich nicht mehr. Sie war völlig erschöpft.
Fünf Minuten später wurden die Fesseln gelöst. Ein dicker Mann, der die Zauberstunde bis dahin von einer Zimmerecke aus beobachtet hatte, zog die Frau aus dem Sessel hoch. »Komm, Elfriede, die Kinder warten auf ihr Essen.«
»Der arme Ehemann«, flüsterte Pater Joseph. Er nickte dem Mann zu, der seine Frau in einen eisernen Griff genommen hatte. Das Paar verließ den Raum. Die Helfer begannen mit Aufräumungsarbeiten.
»Und jetzt zu Ihrem Anliegen, Frau Grappa«, meinte Pater Joseph und deutete auf den Sessel, auf dem eben noch die Frau gesessen hatte. Er zwinkerte freundlich mit den Augen. Ich zögerte.
»Sie können sich ruhig setzen«, beruhigte er mich, »Dämonen fahren nicht in Polstermöbel.«
Vorsichtig ließ ich mich in den Sessel fallen. Ich bemerkte, dass an den Armlehnen Ringe zum Festzurren der Fesseln angebracht waren.
»Sie haben eben so richtig gesagt«, begann ich mit meiner Rede, »dass man den Teufel nicht verleugnen darf, wenn man an Gott glaubt. Deshalb bin ich hier. Ich will den Teufel finden, und der muss sich ja zwangsläufig in der Nähe Gottes aufhalten. Der Kampf um die Herrschaft über den Menschen zwischen Gut und Böse.«
»Warum suchen Sie den Teufel?«
»Ich suche jemanden, der etwas über den Teufel weiß. Und da habe ich Ihren Namen erfahren. Wollen Sie mir helfen?«
In Pater Josephs Blick glomm Interesse. »Wenn ich kann«, sagte er unbestimmt.
»Kennen Sie dieses Zeichen?« Ich reichte ihm einen Zettel, auf den ich das merkwürdig verfremdete Kreuz gezeichnet hatte, das die Schenkel von Else Ambrosius zieren sollte. »Es muss irgendwas mit Kirche oder Teufel zu tun haben.«
Pater Joseph erblickte das Symbol und bekreuzigte sich hastig.
»So schlimm?«, fragte ich.
»Ungewöhnlich«, murmelte der Priester, »das ist das Ordenslogo der Fraternitas saturni , einer Abspaltung des Ordo Templi orientis . Ich wusste gar nicht, dass es die noch in unserer Gegend gibt.«
»Und was sind das für Klubs?«
»Satanische Bruderschaften. Sie beten den Teufel und andere Dämonen an, töten Tiere, feiern Schwarze Messen mit Sexualmagie. Es wird ihnen auch nachgesagt, Kinder und Frauen zu missbrauchen. Wo haben Sie dieses Zeichen gesehen?« Pater Josephs Augen glänzten.
»Als Tätowierung. Auf einem alten Foto. Ich recherchiere gerade eine Story für unser Wochenendmagazin. Die Leute lesen so was gerne.« Jetzt war Vorsicht geboten. Alles brauchte der Gottesmann nicht zu wissen.
»Interessant. Diese Zeichen tragen nämlich nur Großmeister und Hohepriesterinnen. Ein altes Foto, sagten Sie? Dem Allmächtigen sei Dank! Ich dachte schon, die Fraternitas saturni wäre wieder aktiv.«
»Sind die denn so gefährlich? Ist das denn mehr als ein bisschen Budenzauber mit Abrakadabra?« Ich dachte an die Exorzismusvorstellung, die der Pater gerade hingelegt hatte.
»Da täuschen Sie sich, junge Frau!«, widersprach er. »Das Gesetz dieser Loge lautet: Tu, was du willst, und: Liebe ist das Gesetz! Liebe unter Willen! Mitleidlose Liebe!«
»Hört sich doch ganz nett und harmlos an«, entgegnete ich. »Liebe ist das Gesetz! Was kann es Netteres geben?«
»Das glauben Sie! Was diese Menschen Liebe nennen, ist das Ausleben der scheußlichsten sexuellen Perversitäten.« Der Pater atmete schwer. »Und sie beten ›Baphomet‹, den Bock von Mendes an.«
»Wen?« Ich hatte das Wort »Bock« verstanden.
»Warten Sie.« Pater Joseph sprang auf und holte ein Buch aus dem Regal. »Das ist Baphomet.«
Er hatte den Schmöker aufgeklappt und präsentierte mir die Schwarzweißzeichnung eines Fabeltieres: Ich sah einen ziegenköpfigen Menschen mit langem Bart und zwei nach oben gerichteten mächtigen Hörnern. Zwischen ihnen loderte ein Feuer. Die Gestalt saß auf einer Weltkugel, hatte Frauenbrüste, gekreuzte Bocksfüße und befiederte Engelsflügel. Der Unterleib war mit einem Tuch verhüllt, der hoch aufgerichtete Penis von zwei Schlangen
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