Grappa 07 - Killt Grappa
um. Der Mann schien flatternde Nervenstränge zu haben. Von dem würde ich mir kein Facelift verpassen lassen, dachte ich, dem rutscht das Messer sonst wohin.
»Schwer zu sagen«, sagte Diehl leise, »die Schädelform des Mannes ist nicht gut zu erkennen. Um Narben zu entdecken, ist das Foto zu ungenau.«
»Aber ausgeschlossen ist es nicht, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt?«
»Ganz ausgeschlossen ist es nicht. Aber damit können Sie wohl wenig anfangen?«
»So ist es. Aber – trotzdem vielen Dank. Ich weiß auf jeden Fall, dass Grid den Mann operiert hat, den Interpol jahrelang gesucht hat.«
»Wer ist der Mann auf diesem Foto?« Diehl deutete auf das Porträt von Vermeulen, das Turkey auf dem Birkenhof geschossen hatte.
»Das ist der Therapeut, der in meinem Bericht erwähnt wird. Ich glaube, dass er der Kopf einer satanischen Bruderschaft ist, die in Bierstadt und Umgebung ihr Unwesen treibt.«
Fingerabdrücke
»Vermeulen hat seine eigene OP-Akte geklaut«, teilte ich Peter Jansen mit, »nachdem er sich ein neues Gesicht gekauft hat. Grid muss herausbekommen haben, dass er einem Kindermörder geholfen hat. Vielleicht wollte er auspacken. Und deshalb musste er sterben.«
»Eine kühne Theorie«, gab Jansen zu bedenken, »für die du keine Beweise hast. Wir müssten an die gestohlene Akte herankommen.«
»Er hat sie bestimmt vernichtet«, mutmaßte ich. »Warum, zum Teufel, bin ich nicht früher auf die Idee gekommen, in Grids Schönheitsschmiede nach Fakten zu suchen?«
»Lamentieren hilft jetzt nichts«, stellte Jansen kategorisch fest. »Du solltest dich um Eva Grid kümmern, wenn sie entlassen wird. Der Haftrichter hat die U-Haft tatsächlich außer Vollzug gesetzt. Und wir bringen eine Zusammenfassung der Leserreaktionen auf unseren Artikel. Ich kümmere mich selbst darum. Wir haben also jede Menge zu tun. Stimmt es eigentlich, dass dein Polizistenfreund aus dem Rennen ist? Der Staatsanwalt hat mir so was geflüstert.«
»So könnte man es nennen«, sagte ich trocken. »Zu enger Kontakt mit der Presse. Er ist suspendiert worden.«
»Der Arme!«, heuchelte Jansen. »Es war schon für viele Männer gefährlich, sich mit dir einzulassen. Wie trägt er's?«
»Er wird's schon überleben«, meinte ich. »Jetzt kann er mir wenigstens bei den Recherchen behilflich sein, ohne sich an hirnrissige Vorschriften halten zu müssen. Ich muss versuchen, mehr über Vermeulen herauszukriegen. Aber zuerst rufe ich Lasky an.«
»Wer ist das denn schon wieder?«
»Eva Grids Anwalt. Er wird die Uhrzeit wissen, zu der sie rauskommt.«
»Dann viel Glück!«
Jansen verließ mein Zimmer. Ich wählte Laskys Nummer. Er weigerte sich, mir zu sagen, wann seine Mandantin aus der U-Haft entlassen würde. Sie habe kein Interesse daran, von einer Journalistin belästigt zu werden. Ich schenkte mir den Hinweis darauf, dass die Witwe mir irgendwann mal verdammt dankbar sein würde.
Als ich am frühen Nachmittag meine Wohnung betrat, war Nik noch immer da. Er saß, flankiert von meinen Katzen, auf dem Sofa und hörte Musik. Ich schlich mich von hinten an und legte die Arme auf seine Schultern.
Er riss die Kopfhörer herunter. »Du bist schon da?«, fragte er überrascht. »Habt ihr Journalisten eigentlich keine geregelte Arbeitszeit?«
»Wir sind immer im Dienst«, sagte ich und zog die Stiefel aus, »wie Priester oder Psychiater. Ich hab heute was Interessantes rausgekriegt. Vermeulen hat sich vermutlich von Grid ein neues Gesicht verpassen lassen.« Ich erzählte von Diehls Anruf.
Kodil pfiff durch die Zähne. »Das ist ein toller Hinweis«, sagte er. »Schade, dass wir nicht wissen, wo die OP-Akte abgeblieben ist.«
»Eins verstehe ich trotzdem nicht.« Ich war ins Grübeln gekommen. »Nehmen wir an, dass Vermeulen tatsächlich der Kindermörder aus Oude Pekela ist. Bis heute weiß niemand, wie der Mann heißt. Es existiert nur eine Phantomzeichnung von ihm, die aufgrund von Kinderaussagen angefertigt worden ist. Das tote Baby ist nie gefunden worden – sogar die Polizei ist nicht sicher, dass es diesen scheußlichen Mord tatsächlich gegeben hat. Warum also sollte sich Vermeulen operieren lassen? Nach acht Jahren würde ihn ohnehin niemand mehr erkennen. Er hatte Zeit genug, alle Spuren zu verwischen.«
»Das konnte er damals doch noch nicht wissen«, widersprach Nik. »Er musste sich eine neue Identität aufbauen. Stell dir vor: Du hast ein Verbrechen begangen. Keiner kennt deinen Namen, doch es
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