Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Kopf, der einfach nicht mehr weg will. Können wir uns heute Nachmittag sehen? In Ihrem Büro?«
»Lieber nicht. Die Pressestelle sieht das nicht so gern, wenn sie bei Medienkontakten übergangen wird. Wie wär's mit einem Spaziergang im Rombergpark? Um 16 Uhr?«
Ich stimmte zu und schloss die neue Schublade in meinem Gehirn erst mal ab. Der Artikel brauchte meine volle Konzentration.
Schreckliches Ende einer Erpressung: Ratsmitglied tot – Vier Millionen verschwunden – titelte ich.
Bierstadt im Würgegriff unbekannter Mörder und Erpresser: In der vergangenen Nacht wurde eine der spektakulärsten Straftaten in der Geschichte unserer Stadt verübt. Nachdem eine Erpressergruppe, die sich selbst ›Die Fantastischen Fünf‹ nennt, mit Terroranschlägen gedroht hat und so vier Millionen Mark erpressen wollte, sollte es endlich zur Geldübergabe kommen. Die Erpresser forderten, dass Ratsmitglied James Kossmann (51) die Millionen überbrachte – ausgestattet mit einem Sender, der sowohl von der Polizei als auch den Tätern abgehört werden konnte.
Durch einen Zufall gelang es unserer Zeitung, den Funkverkehr zu verfolgen.
In den weiteren hundertzwanzig Zeilen schilderte ich die einzelnen Stationen der Geldübergabe. Die letzten Sätze des Artikels lauteten: James Kossmann wird mit einer Plastiktüte erstickt. Während er stirbt, spielt der Mörder Violinmusik von Beethoven.
»Ziemlich theatralisch«, meinte Jansen nach der Lektüre. »Aber die Leute mögen es eben, wenn das Grauen blumig geschildert wird.«
»Kann ich heute früher gehen?«, fragte ich. Mir ging das Foto nicht mehr aus dem Kopf. Ich musste Solo finden, würde an seiner Wohnung vorbeifahren, seine Stammkneipe besuchen und noch einiges mehr. Engelchen war wirklich aufgetaucht, Solos unvergessene Jugendliebe, inklusive Bruder. Die Vergangenheit war der Schlüssel zu Mord und Erpressung.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, hörte ich Jansen aus weiter Ferne fragen.
»Hast du was gesagt?« Ich war verdattert.
»Du hast gefragt, ob du früher gehen kannst, und ich habe ja gesagt. Was ist bloß los mit dir? Das muss ja gestern eine besonders harte Nacht gewesen sein!«
»Ach, Peter«, seufzte ich. »Ich bin völlig verwirrt. Ich glaube, ich habe den Schüssel zu allem gefunden. Hier, guck dir mal dieses Foto an!«
Er tat es und fragte verständnislos: »Und?«
»Der junge Mann links ist Solo, der rechte ist Leon Pirelli. Das hübsche Kind in der Mitte heißt vermutlich Lena Pirelli.«
»Unser Solo? Zusammen mit der Straßenmalerin und dem Geigenspieler? Interessant. Aber ... was hat das mit unserem Fall zu tun?«
»Die drei stecken unter einer Decke«, behauptete ich. »Die Polizei fahndet zwar nach den Geschwistern – doch der Kopf der Bande könnte Solo sein. Er hat Tabibis Leiche gefunden, hat mich mit dem Straßenmaler zusammengebracht, und er hat dafür gesorgt, dass wir vergangene Nacht live bei der Geldübergabe dabei sein konnten.«
»Kossmann kann er aber nicht auf dem Gewissen haben.«
»Stimmt. Das war ein anderer. Wahrscheinlich Leon. Durch uns hat Solo ein prima Alibi – für alle Fälle.«
Jansen pfiff durch die Zähne. »Hört sich gut an, Grappa«, meinte er. »Doch wo liegen die Motive? Bei der Erpressung dürfte Geldgier im Spiel sein, doch warum mussten Tabibi und Kossmann den Löffel abgeben?«
»Das weiß ich leider auch noch nicht«, gab ich zu. »Ich muss herausbekommen, was die drei auf dem Foto die letzten zwanzig Jahre gemacht haben. Irgendwas ist geschehen – es hat Leon, Lena und Solo zunächst getrennt und dann wieder zusammengebracht. Und dieses Wiedersehen dreier Kinder hat einigen Menschen den Tod gebracht.«
Im Reich der Fische
Das Treffen mit Hauptkommissar Anton Brinkhoff fand nicht statt, denn Oberstaatsanwalt Dr. Hasso Klima wurde tot in seiner Wohnung gefunden. Jansen warf den Bericht vom Jubiläumskonzert des Universitätschores aus dem Blatt. Ich trieb mich derweil vor der Wohnung des Opfers herum – zusammen mit der verehrten Kollegenschaft von Zeitung, Rundfunk und Fernsehen.
Ins Haus kamen wir nicht hinein, zwei Grüne hatten sich neben den Eingang postiert. Klima wohnte in der dritten Etage eines Appartementhauses in der Bierstädter City, in dem Gebäude direkt gegenüber hatten sich Fotografen und Kamerateams eingenistet – bei einer freundlichen alten Dame, die die Plätze an den drei zu Klimas Haus gelegenen Fenstern für einen Stundenpreis von 200 Mark vermietete. Unser Knipser war
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