Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
grenzenlos emotional verausgaben will.
Gewissen und Kontrolle
Natürlich war am Montagmorgen die Hölle los. Jansen, ich und die anderen Kollegen saßen beim Kaffee zusammen. Es würde ein heißer Tag werden, Smarts Wahlkampfberater Dr. Seemann hatte uns bereits einen Besuch angekündigt – und der würde bestimmt nicht besonders nett ausfallen.
»Ich habe heute früh mit der Polizei gesprochen«, berichtete Jansen. »Die Beamten haben von einigen Gästen die Personalien aufnehmen können, andere haben sich schnell aus dem Staub gemacht. Smarts Personalien sind aufgenommen worden, der Leitende Oberstaatsanwalt hat aber sowohl der Polizei als auch seiner Oberstaatsanwältin einen Maulkorb verpasst. Ich hab's trotzdem rausgekriegt.«
»Klasse!«, lobte ich. »Dann sind wir ja bestens gerüstet.«
» Der Tag heute wird sehr hart, denn gleich kommt zu uns Gerry Smart «, dichtete ein Kollege.
»Ich schmeiß vorher 'ne Runde Kuchen«, kündigte Jansen an. »Wer weiß, wann wir wieder zum Essen kommen. Mandelhörnchen für dich, Grappa? Apfel, Mohn und Kirsch für die anderen?«
Die Sekretärin trabte los, um den Kuchen heranzuschleppen. Ich setzte derweil eine neue Kanne Kaffee auf.
Oberflächlich betrachtet schien alles wie immer zu sein. Die Kollegen hatten sich in ihre Zimmer verzogen, ließen die Türen jedoch geöffnet. Ich hörte Fetzen von Telefongesprächen, bekam Terminabsprachen mit, aus einem Zimmer tönte leise Musik. Harmonie pur. Doch ich konnte die Spannung, die alle befallen hatte, körperlich spüren.
Das liebe ich an diesem Job, dachte ich. Die Presse als vierte Gewalt im Staat, die als Wächter die Mächtigen kontrolliert, nur dem Pressegesetz und dem eigenen Gewissen verpflichtet.
Na ja, es war ein bisschen so, aber leider nicht immer. Zu oft griffen Verleger, Chefredakteure oder Politiker in die Freiheit der Berichterstattung ein, setzten Journalisten unter Druck, bedrohten sie gar, versuchten sie zu korrumpieren.
Ich hörte Jansens Telefon klingeln.
»Ich lasse bitten«, sagte er knapp. Dann rief er: »Grappa, es geht los. Smart und ihr Berater sind im Anmarsch. Kommst du in mein Zimmer?«
»Wie soll ich das nur schaffen – ohne Mandelhörnchen?«, jammerte ich. »Wo bleibt die Kollegin mit dem Kuchen?«
Angekokelt
Smart legte Jansen die eidesstattliche Versicherung von zwei Wahlkampfhelfern vor. In dem Schreiben bestätigten die beiden jungen Männer an Eides statt, dass sie zum Zeitpunkt des Anschlags mit ihrer Chefin die nächsten Plakatklebeaktionen besprochen hatten – in der Privatwohnung eines der jungen Männer, ganz weit weg vom Club.
Jansen warf mir einen Blick zu, der ›Noch nicht‹ bedeutete. Auch gut. Er führte die Regie. Im Krisenmanagement war er mir haushoch überlegen. Ich neigte nämlich dazu, ein bisschen durchzuknallen – was schädlich war und mich zu dummen Fehlern verführte. Ich lehnte mich zurück und versuchte mich zu entspannen.
Smarts Wahlkampfleiter Seemann kündigte eine Unterlassungsklage, eine Klage wegen übler Nachrede und eine Schadensersatzforderung in Millionenhöhe an. Man würde mich, Jansen als meinen Vorgesetzten und die Zeitung so lange vor den Kadi zerren, bis uns hören und sehen verginge.
Es klopfte. Nach dem Entree des Wahlkampfleiters wäre eigentlich die Polizei zu erwarten gewesen, die uns in Handschellen abführen wollte.
»Ich bringe den Kuchen«, kündigte die Sekretärin an.
Sie betrat das Büro, stellte Jansen und mir die Teilchen vor die Nase und goss frischen Kaffee ein.
Ich starrte auf meinen Teller. »Hatten die keine Mandelhörnchen?«, fragte ich konsterniert.
»Die waren von gestern«, erklärte die Frau. »Sie mögen sie doch nur frisch, Frau Grappa. Da hab ich lieber Mohn genommen. Vielleicht können Sie ja mit Herrn Jansen tauschen?«
»Lassen Sie mal«, meinte ich gnädig. »Alte Mandelhörnchen sind mir wirklich ein Graus. Man beißt sich die Zähne daran aus. Mohn ist schon okay. Oder willst du den Mohn, Peter? Dann nehme ich das Apfelteilchen.«
Jansen überlegte angestrengt, als gäbe es in diesem Augenblick auf der Welt nichts Wichtigeres als die Kuchenfrage.
»Ich bleibe bei Apfel, Grappa«, sagte er dann. »Der Mohn bleibt mir immer in den Zahnlücken hängen. Ich bin dann den ganzen Tag damit beschäftigt, mir die schwarzen Körner aus den Beißern zu puhlen.«
Gerlinde Smart und ihr Wahlkampfleiter folgten der Kuchendiskussion mit Interesse, wenn auch ein wenig verstört. Sie konnten es wohl
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