Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
Sklavin, die Cola light aus dem Hundenapf schlabbern musste?«
Zehn Minuten später drückte ich die Tür zu seiner Praxis auf. Gediegenes Ambiente empfing mich, alles war edel und leise, Hintergrundmusik perlte fast unhörbar und irgendein Aromaöl waberte durch die Räume.
»Sie machen es ja besonders dringend«, begrüßte mich der Arzt unfreundlich.
»Es ist auch dringend«, sagte ich, ging zum Fenster und öffnete es. Der Lärm der Straße vermischte sich mit der Perlenmusik. »Herr Radic ist gerade festgenommen worden. Und wissen Sie, was man ihm vorwirft?«
»Keine Ahnung.«
»Den Mord an den beiden Politikern.«
»Das überrascht mich«, meinte Lika knapp.
»Wollen Sie Ihrem Freund nicht helfen?«
»Woher wissen Sie, dass er mein Freund ist?«
»Er hat es mir erzählt.«
»Sie kennen ihn?«
»Ich bin mit ihm befreundet. Genau wie Sie. Zumindest hat mir Nazmi das versichert.«
»Ich bin sein Arzt und Freund.«
»Dann ist ja alles prima«, freute ich mich. »Kommen Sie!«
»Wohin?«
»Zur Staatsanwaltschaft. Als sein Arzt müssen Sie eine Aussage machen – über seine Depressionen, sein Trauma, seine Neurose.«
Auf Likas Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. »Ich bin an die ärztliche Schweigepflicht gebunden«, sagte er mit kläglicher Stimme.
»Kommen Sie mir nicht so!« Meine Ungeduld wuchs. »Radic wird Sie von der Schweigepflicht entbinden. Also, was ist?«
Lika lenkte ein. Er versprach, noch an diesem Tag bei der Staatsanwaltschaft eine Aussage zugunsten von Nazmi Radic zu machen.
Infos sammeln
Festnahme im Maskenmord – Ist Nazmi R. der Mörder? – so war am nächsten Tag in unserer Zeitung zu lesen. Ich hatte Peter Jansen nicht erzählt, dass ich mit dem Verdächtigen eng befreundet war, sonst hätte ich die Story abgeben müssen. Und das wollte ich auf keinen Fall.
Im Fall der Morde an den beiden SPD-Politikern Willi Junghans und Paul Manthey ist es gestern zu einer ersten Festnahme gekommen; der 38-jährige Bosnier Nazmi R., der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, wird verdächtigt, die Taten begangen zu haben. Indizien belasten R., bei einer Durchsuchung von Privaträumen wurden Kleidungsstücke der Mordopfer und eine Ledermaske gefunden, außerdem entdeckte die Polizei eine Waffe des Kalibers, mit dem Junghans und Manthey erschossen wurden. R. wird auch der Brandanschlag auf einen Privatclub am Sauerländer Weg vorgeworfen, bei dem Sachschaden in Höhe von einer Dreiviertelmillion Mark entstanden ist.
Nazmi R. befindet sich in Untersuchungshaft. Nach Informationen unserer Zeitung soll sich der Bosnier seit Jahren in psychotherapeutischer Behandlung befinden. Er leidet seit dem Bürgerkrieg in seiner Heimat unter schweren Depressionen.
»Ich glaube nicht, dass er es war«, sagte ich zu Jansen. »Niemand ist so dumm und lässt Beweismaterial einfach so rumliegen.«
»Warum nicht? Der Mann ist verrückt – du hast es selbst geschrieben«, widersprach Jansen.
»Und die ›Erneuerer in der SPD‹? Sind die plötzlich völlig vergessen? Und die Zitate von Marquis de Sade? Warum sollte Radic so einen Zauber veranstalten?«
»Das ist wirklich merkwürdig«, räumte Jansen ein. »Irgendwie passt das nicht so richtig zusammen.«
»Na siehst du«, meinte ich zufrieden. »Ich bin sicher, dass ihm jemand die Morde anhängen will. Passt doch auch gut in die politische Landschaft: ein Verrückter, auch noch Ausländer. Da werden mal wieder alle Vorurteile bedient.«
»Okay, Grappa«, sagte Jansen. »Dann sieh mal zu, wie du den armen Teufel aus dem Knast herausbekommst. Du hast freie Hand.«
»Du bist ein echter Schatz«, jubelte ich begeistert. »Aber – die Sache hat einen Haken. Ich habe dir etwas verschwiegen.«
»Ich weiß«, nickte er mild. »Du hast ihn dir gegönnt – den hübschen Bosnier.«
»Woher weißt du ...?«
»Ich bin Journalist«, erinnerte er mich. »Und diese Berufsgruppe lebt vom Sammeln von Informationen. Außerdem hat du diesen gewissen Blick drauf, wenn du von ihm sprichst.«
»Welchen Blick?«
»Den Blick einer Jägerin, die erfolgreich Beute gemacht hat.«
Fast gerührt setzte ich mich an meinen Schreibtisch. Es geht doch nichts über nette, verständnisvolle Kollegen.
Das Telefon läutete und es war ein weiterer Kollege dieser Art, nämlich Tom Piny.
»Hallo, Süßer«, begrüßte ich ihn. »Schön, dass du nicht mehr schmollst.«
»Ich dachte, du kannst jetzt Hilfe gebrauchen, nachdem dein Lover eingelocht worden ist.«
»Er war es
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