Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
Schweifen entschlossen –, blieb jedoch immer an Mauern hängen. Die waren hoch und jede anders verziert, eigentlich ansehenswert – aber nicht für mich.
Die Gasse endete plötzlich. Einen Schritt weiter und ich wäre im Wasser gelandet. Das war schwarz und glatt, bewegte sich widerwillig, denn ein Boot näherte sich.
Hier kam ich nicht weiter, ich musste zurück. Ich lehnte mich an eine Mauer, mein Atem dampfte in der kalten, klaren Luft. Mit fast erfrorenen Fingern – ich hatte meine Handschuhe im Hotel vergessen – zog ich den Stadtplan aus der Tasche und blickte mich um. Irgendwo musste ja eine Straßenbezeichnung angebracht sein. Calle dei Corti – las ich direkt über mir und ich fand sie auf dem Stadtplan. Erleichtert stellte ich fest, dass ich mich im Umfeld der Frari-Kirche befinden musste. Die Richtung stimmte also.
Tatsächlich stand ich kurze Zeit später vor dem Hotel Falier. Alle Schlüssel hingen an der Rezeption, Kati war also noch nicht zurück von ihrer Tour.
Ich bemerkte, dass ich müde war. Eine gute Gelegenheit, sich aufs Bett zu legen. Ich las ein bisschen im Reiseführer, dann in der Novelle und versuchte, mich zu entspannen.
Kati kam dann irgendwann, verfroren und schlecht gelaunt. Ich erzählte ihr von der Begegnung mit ihrem verhassten Exchef und dem charmanten Koch und sie stellte Fragen, die ich mir auch schon gestellt hatte: »Warum sollten wir mit Rabatt zusammenarbeiten? Was versprichst du dir davon?«
»Keine Ahnung. Aber ich will auf jeden Fall wissen, was er hier macht. Und vielleicht können wir seine Kontakte zur venezianischen Polizei nutzen.«
Wir hatten uns in die Bar des Hotel verzogen und uns Café Latte bestellt. Niemand sonst war hier und wir konnten ungestört reden.
»Wie ist der Koch denn so?«
»Er nennt mich Madonna«, murmelte ich.
»Madonna?« Sie grinste. »Dich?«
»Nein, er bezeichnet Rabatt als Madonna!«, zischte ich sie an.
»Ist ja gut, Grappa. Du hast ja auch eine Menge von einer Gottesmutter an dir!«
»Madonna heißt nichts anderes als ›meine Herrin‹«, frischte ich ihre Bildung auf. »Jedenfalls im ursprünglichen Wortsinn.«
»Aha!«, kam es triumphierend.
»Was ›aha‹?« Sie ging mir schon wieder auf die Nerven.
»Ist er verknallt in dich? Oder du in ihn?«
»Quatsch! Wie bist du denn drauf? Sich einmal sehen und schon verlieben? So was gibt's nur im Film.«
»Und warum wirst du dann gerade rot?«
»Hitzewelle. Die Wechseljahre halt.«
»Okay, Madonna«, meinte Kati. »Erzähl von ihm. Wie sieht er aus?«
Bevor ich antworten konnte, kam die Frau von der Rezeption auf uns zu. Sie hatte einen Umschlag in der Hand und reichte ihn mir. Der sei für mich abgegeben worden.
Überrascht sah ich Kati an. Wer wusste, dass wir in diesem Hotel abgestiegen waren? Vielleicht hatte Jansen mir etwas geschickt.
Eilig riss ich den Umschlag auf: Er enthielt ein Flugblatt, das für morgen ein Konzert in der Frari-Kirche ankündigte. Mit Werken von Claudio Monteverdi.
Ich sah mir den Zettel genauer an. Ein Name der Mitwirkenden war rot markiert worden. Veronica Franco, mezzo soprano.
»Was ist?«
»Wir haben eine Einladung zu einem Konzert in der Kirche gleich nebenan bekommen«, antwortete ich. »Für morgen Abend. Mit Werken von Monteverdi.«
»Monteverdi?«
»Ein Komponist. Sozusagen der Wiesengrundel von Venedig.«
»Ach, er kommt selbst?«
»Wiesengrundel?«
»Nein, Monteverdi!«
»Braucht er nicht. Er ist schon lange da.«
Marihuana und Mailbox
Leider konnte uns die Hotelangestellte, die das Kuvert entgegengenommen hatte, keine gute Beschreibung des Überbringers geben – sie konnte mir nur sagen, dass eine Frau den Umschlag gebracht hatte.
»Ich glaube, dass Wiesengrundel uns beobachten lässt«, meinte ich. »Er will Kontakt zu uns aufnehmen, hat aber vor irgendetwas Angst.«
»Ich dachte, du hältst ihn für den Mörder?«
»Auch Mörder können Angst haben – und dass er der Mörder ist, kann stimmen, muss aber nicht. Ich werde Baci anrufen«, kündigte ich an. »Er muss uns ins Konzert begleiten. Er kennt Wiesengrundel, hat ihn im Palazzo erlebt.«
»Wir brauchen ihn nicht«, widersprach Kati. »Ich habe einige Bilder aus der Akte dabei. Die gucken wir uns genau an und dann erkennen wir ihn.«
»Bilder ersetzen nicht einen persönlichen Eindruck. Es ist besser, wenn Baci mitkommt.«
»Verstehe.« Sie grinste.
»Was verstehst du denn jetzt schon wieder?«, fragte ich und merkte, wie sich die Farbe meines Teints
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