Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
erneut veränderte.
»Du bist also doch scharf auf den Koch!«
»Ich bin der Boss«, erinnerte ich sie, schroffer als beabsichtigt. »Und ich entscheide, was wir tun und was wir nicht tun.«
»Ist ja gut, Grappa«, beschwichtigte sie mich. »Die Pizza hier ist wirklich gut. Überhaupt ist diese Kneipe netter, als ich angenommen hatte.«
Wir waren von der Hotelbar nach nebenan gezogen – in die Pizzeria mit den zivilen Preisen. Ich war noch satt vom Mittagessen und begnügte mich mit einem halben Liter Wein, Kati hatte sich eine Pizza Vivaldi bestellt, die stilecht den Beinamen Quattro Stagioni verpasst bekommen hatte. Die Venezianer lassen aber auch nichts aus, dachte ich.
»Ich muss mal eben aufs Klo.« Kati erhob sich und steuerte den Waschraum an. Ich sah, dass sie an der Bar plötzlich stehen blieb und einige junge Männer ansprach, die dort ihren Wein tranken. Sie waren in Katis Alter, wie überhaupt das Publikum hier so um die fünfundzwanzig war.
Kati verschwand aus meinem Blick – eine gute Gelegenheit Baci anzurufen, ohne mich den spöttischen Bemerkungen der Blonden auszusetzen. Außerdem hatte der süffige Wein aus dem Veneto meine Hemmschwelle schon kräftig abgesenkt – das würde mir bestimmt helfen, souverän zu wirken.
Ich holte das Handy aus der Tasche und tippte die Nummer ein. Eine Frauenstimme meldete sich und ich drückte auf Aus. Klar, der Typ war verheiratet, was sonst?
Bevor mich Enttäuschung überfluten konnte, war Kati wieder zurück. Sie setzte sich und fragte: »Mit wem hast du telefoniert?«
»Ich wollte Baci anrufen. Aber er war nicht da. Und was hast du mit den Männern an der Bar geredet?«
»Ich hab sie nur was gefragt.«
»Und was?«
»Ob sie Gras dabeihaben.«
»Gras? Du meinst Marihuana?«
»Klar. Ich rauche manchmal was. Aber nur selten.«
»Und?« Mir wollte nicht sofort in den Sinn, dass eine angehende Juristin Joints drehte. »Konnten dir die Typen behilflich sein?«
»Ja.« Sie klopfte auf ihre Hosentasche. »Ein Gramm vom besten.«
»Na, toll. Ich jage einen Mörder und eine Drogenabhängige hilft mir dabei.«
»Du bist wie meine Mutter«, rief Kati ärgerlich aus. »Es ist nur Spaß und ich mach's nur ganz selten. Alle jungen Leute nehmen ab und zu mal einen Joint.«
»Und warum musst du es gerade jetzt haben? Wir müssen einen klaren Kopf behalten.«
»Das ist für morgen, fürs Konzert. Ich rauche vorher was und dann gefällt mir die Musik bestimmt besser.«
Koch, Kirche und Konzert
Natürlich rief ich Baci an diesem Abend nicht mehr an. Nach einer Nacht voller Grübeln auf dem schmalen Bett wachte ich sehr früh auf. Eine gute Gelegenheit, endlich den Artikel zu schreiben, der die Leser des Bierstädter Tageblattes in Sachen Vierermord auf den neuesten Stand bringen würde. Na ja, viel hatte ich nicht zusammen, doch für vierzig Zeilen würde es reichen.
Mein Laptop lag einstöpselbereit auf einem Tisch, der kaum größer war als das Gerät.
Spur des Mörders führt nach Venedig: Was geschah im Palazzo?, titelte ich.
Die vier Opfer des Mörders haben eins gemeinsam: Sie waren Teilnehmer an einem Kreativseminar, das im letzten Sommer in der Lagunenstadt stattgefunden hat. Leiter des Kurses im venezianischen Palazzo Contarini del Bovolo waren der getötete Hobby-Maler und DGB-Chef Ansgar Hunze, der ebenfalls ermordete Mundartdichter Karl Krawottki und der spurlos verschwundene Komponist Ben Wiesengrundel. Die beiden weiblichen Opfer, Puppa und Rosi Ischenko, in der Rotlichtszene als ›Sexy-Doppelpack‹ bekannt, standen auch auf der Teilnehmerliste. Die Kreativität der Zwillinge, so ergaben Recherchen unserer Zeitung in Venedig, lag allerdings eher im Bereich sexueller Dienstleistungen. Beide Frauen waren mit Hunze und Krawottki eng befreundet.
Die Stimmung im Seminar sei von Anfang an schlecht gewesen – so ein Zeuge gegenüber unserer Zeitung. Was sich genau im Seminar abgespielt hat, ist noch nicht bekannt. Vielleicht liegt aber hier das Motiv für die schrecklichen Morde in Bierstadt?
Danach fasste ich noch einmal die bekannten Fakten zusammen, erwähnte auch, dass sich Wiesengrundel wohl in Venedig aufhalten und verstecken würde. Und zum Schluss des Artikels hatte ich doch noch eine Neuigkeit für die Leser des Bierstädter Tageblatte s bereit:
Eine weitere Merkwürdigkeit in diesem Fall: Was treibt den vom Dienst suspendierten Oberstaatsanwalt Bob Rabatt nach Venedig? Auch er war nach Zeugenaussagen Kunde der Ischenko-Schwestern –
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