Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
traditionell viele Ausländer und man sah es dem Straßenbild auch an. Die Läden waren klein und voll gestopft mit ausländischen Erzeugnissen und Köstlichkeiten. Ich kaufte gern hier ein, besonders hatten es mir die kleinen Märkte angetan. Es war einiges los, um mich herum Lärm und Geschiebe, ein paar Äpfel hatten einen Korb verlassen und kullerten vor mir her, und fast wäre ich, als ich ausweichen wollte, auf einer zermatschten Paprika ausgerutscht und in eine Auslage mit Meeresfrüchten gefallen.
Ich erinnerte mich, am ersten Tag in Venedig hatte ich Ähnliches gesehen und mich am Mann'schen Hexameter erfreut: Muscheln, Seepferdchen, Quallen und seitlich laufende Krebse.
Dem stellte ich Äpfel, Paprika, Hummer und schon verwelkende Kresse gegenüber.
Da war das Haus. Ihr Name stand abgekürzt auf einem Klingelschild: D. T. Huong.
Ich klingelte, wartete, klingelte länger, wartete ... Wiederholte den Vorgang, doch nichts rührte sich.
Es wäre ja auch zu schön gewesen! In meinem Geiste hatte ich schon die Überschrift für meinen Artikel formuliert: »Ich klingelte einfach!« – Tageblatt-Reporterin stellt Vierfachmörderin.
Mist, dachte ich, Fragen an die Nachbarn konnte ich nicht stellen, denn dann würde Betty Blue gewarnt sein. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als der Polizei die Adresse bekannt zu geben.
Die Auslagen hatten meine Lust auf ein zweites Frühstück stimuliert. Anneliese Schmitz war bestimmt schon in ihrem Bistro und konnte mir ein üppiges Frühstück bereiten. Die Bäckersfrau war gerade dabei, die Brötchen zu belegen, als ich den Laden betrat.
»Die Frau Grappa«, wunderte sie sich. »Aussem Bett gefallen?«
»Fast«, antwortete ich. »Wie isses?«
»Muss«, meinte sie bedeutungsvoll. »Frühstück?«
Ich nickte. »Hab ma wieder nix im Haus.«
»Is ja nix Neues«, lächelte sie.
Jetzt müsste die Frage nach Kati kommen, doch das wollte ich verhindern.
»Die Blonde wohnt nicht mehr bei mir«, sagte ich schnell.
»Ich weiß!«
Jetzt war es an mir zu staunen. »Was heißt das?«
»Setzen Se sich ers ma. Käse und Schinken und Rührei?«
»Hat sich Kati bei Ihnen ausgeweint?«, fragte ich.
»Kann ma so sagen. Sie wusste nicht wohin und hat bei mir geklingelt.«
»Was hat sie?«, empörte ich mich. »Warum ist sie nicht in ein Hotel gegangen?«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, Frau Grappa, dass ich den Schwatten genommen hätte – damals«, erinnerte mich die Bäckerin. »Da konnte ich bei einer Kati nicht Nein sagen. Hab ihr ein Zimmer unterm Dach vermietet.«
»Na, toll«, sagte ich. »Hoffentlich denken Sie jetzt nicht schlecht vor mir.«
»Aba nein. Sie sind eben besser allein aufgehoben. Ich mach Ihnen dann mal Ihr Frühstück.« Sie wandte sich dem Frühstücksbrettchen zu.
Im Bistro der Bäckerin lagen immer allerhand Zeitschriften herum, die ich meist nicht beachtete. Manche waren bräsig-aristokratisch, andere versuchten, ihre Leser mit Sex and Crime zu locken, noch andere wirkten service- und gesundheitsorientiert mit Hinweisen zu Wunderdiäten, die die Pfunde zum Purzeln bringen sollten.
Na ja, ein wenig abspecken könnte ich auch mal wieder, obwohl ich es noch nie wirklich konsequent durchgehalten hatte.
Ob es am Frühling lag, dass sich alle Welt um Kinder kümmerte? Oder war nur mein Bewusstsein geschärft? Die Palette der Kinderthemen reichte jedenfalls von Ernährungstipps für neurodermitische Säuglinge über den letzten Schrei bei coolen Strampelhosen bis hin zu Vorschlägen, wie das nächtliche Gebrüll der Kleinen reduziert werden konnte, ohne massiv gegen das Strafgesetzbuch zu verstoßen.
Der schreit so laut und jämmerlich wie eine Bande rolliger Katzen! – so wurde ein verzweifelter junger Vater zitiert.
Frau Schmitz brachte den Kaffee, meine beiden Brötchen und das Rührei.
»Darf ich Sie mal was fragen?«
Sie schaute mich an und nickte verwundert.
»Wenn ich statt Kater oder Kati ein kleines Kind hätte und plötzlich dringend wegmüsste – würden Sie auf das Baby aufpassen?«
»Sie haben jetzt ein Baby?« Frau Schmitz war völlig platt.
»Nein, nein!«, beruhigte ich sie. »Ist ja nur Jux. Also, würden Sie es tun?«
»Tut mir Leid, Frau Grappa«, entschuldigte sie sich. »Ein Baby nicht. Wie gesagt, den Kater hätte ich genommen und die Blonde ist ja schon groß, aber ... so ein Kind ist doch was ganz anderes.«
»Sehen Sie!«, sagte ich triumphierend. Die Antwort war gar nicht so schlecht. Der Grad der Vertrautheit
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