Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
zwischen Frau Schmitz und mir war wohl nur durchschnittlich – mehr beabsichtigten wir beide ja auch nicht. Also musste der Mensch, dem Betty Blue ihr Kind anvertraut hatte, ihr wesentlich näher stehen als mir Frau Schmitz und umgekehrt.
»Sind Se jetzt sauer auf mich?«
»Aber nein. Lieber der brutalen Wahrheit ins Gesicht sehen, als Honig um den Bart geschmiert zu bekommen«, meinte ich abwesend.
Ich bezahlte mein Frühstück und fuhr zur Redaktion. Jansen erwartete mich schon, ich bekam meine Zeilenration zugeteilt. Dann schrieb ich meinen Vierspalter runter, in dem ich die passenden Fragen zu meinen späteren Antworten stellte. So was hieß ›auf kleiner Flamme kochen‹.
Der Artikel, in dem ich das Kind nicht erwähnte, endete mit der dramatischen Frage: Betty Blue, wo bist du?
Geräusche
Alles hatte wieder aufgehört zu fließen – nur weil Betty Blue nicht in ihrer Wohnung gewesen war. Plötzlich fiel mir wieder Wiesengrundel ein. Er hatte Baci mit To bekannt gemacht, nachdem sie ihren Job im Restaurant verloren hatte, und Betty Blue hatte bei ihm Musik studiert.
Der Ruf ging raus und es dauerte nicht lange, bis der Komponist abhob.
»Hier Grappa«, begann ich, im Hintergrund war Lärm zu hören und er hatte mich wohl nicht verstanden: »Wer ist denn da?«
Ich wiederholte meinen Namen, da erkannte er mich.
»Ich will mit Ihnen über To Dinh Huong reden«, begann ich.
Er sagte etwas, doch es war zu laut. »Was ist das denn für ein Lärm im Hintergrund?«
»Ich bin gerade draußen im Garten«, erklärte er. »Umgeben von wilden Katzen. Können Sie später nochmal anrufen?«
Langsam legte ich den Hörer auf. Rollige Katzen? In Venedig? Nein, das konnte nicht sein, während meines Aufenthalts in der Stadt hatte ich wenig Haustiere gesehen – und Katzen gar nicht.
Mir fiel der Satz in der Zeitschrift wieder ein, die in Anneliese Schmitz' Bistro gelegen hatte: Der schreit so laut und jämmerlich wie eine Bande rolliger Katzen!
Das waren keine Katzen, die den Lärm gerade verursacht hatten, sondern ein kleines Kind. Betty Blue war mit ihrem Sohn bei Wiesengrundel in Venedig!
Ich verließ mein Büro und rannte zu Jansen. Erzählte ihm von dem Gespräch in Zeitraffergeschwindigkeit und schloss: »Ich muss wieder nach Venedig. Morgen früh.«
»Nein, Grappa«, entgegnete er. »Nicht weil ein paar Katzen im Hintergrund schreien. Da muss noch mehr zusammenkommen. Außerdem ist die Sache inzwischen zu gefährlich. Was glaubst du, wird Betty Blue machen, wenn du plötzlich vor ihr stehst? Eine Frau, die verdächtigt wird, vier Menschen kaltblütig getötet zu haben?«
»Sie würde mir nichts tun«, meinte ich, war aber selbst nicht hundertprozentig sicher. »Ich will sie auf jeden Fall vor der Polizei finden. Stell dir doch mal diese Story vor!«
Es hatte keinen Sinn, Jansens Nein war in Stein gehauen.
Wenigstens Michelangelo sollte Bescheid wissen, dass ich Betty Blue und das Baby bei Wiesengrundel wähnte. Er hörte mir aufmerksam zu und sagte: »Ich rufe Andrea Brunetti an. Du bist ein cleveres Mädchen, Madonna!«
Wenig später teilte er mir mit, dass die venezianische Polizei die Wohnung von Wiesengrundel so schnell wie möglich überprüfen würde.
Von dem Ergebnis der Aktion berichtete er mir gegen Feierabend: Die venezianische Polizei hatte weder eine Frau namens Duong Thu Huong noch ein Kind gefunden. Aber Katzen hätte es viele gegeben rund um Wiesengrundels Haus.
Fehlfunktion
»Sie funktionieren nicht richtig, deswegen müssen Sie deaktiviert und repariert werden«, sagte die Raumschiffkapitänin der Voyager zu einem Hologramm und schaltete dessen Programm ab.
Ich lag auf dem Sofa, krümelte nun meinerseits den Bezug voll und versuchte, meinen Frust mit den schwachsinnigsten Programmen im Äther zu bekämpfen.
O wäre das schön, ein Hologramm zu sein! Wenn ich mein Programm doch auch abschalten könnte. Jemand würde mich in einer Werkstatt wieder auf den neuesten Stand bringen, verschlissene Teile ersetzen, mir eine neue Lackierung verpassen und mich dann wieder reaktivieren – und fortgeblasen wären Alters- und Verschleißspuren! Da ich kein Hologramm war, musste ich ab und zu auf einen Mann zurückgreifen, um mich fit zu halten.
Apropos Mann. Ich hatte ihn noch vor mir liegen und las wieder darin. Da gab es eine Stelle, die beschrieb, wie sich Aschenbach alt und verbraucht vorkam angesichts der jugendlichen Schönheit Tadzios: Wie irgendein Liebender wünschte er zu gefallen
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