Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser
und der war nicht besonders hoffnunggebend. »Jansen hat die Geschädigte in ihrem Haus besucht«, erklärte der Anwalt. »Im Haus wurden Unmengen von Spuren entdeckt, die Ihrem Chef eindeutig zuzuordnen sind. Das ist übel, ganz übel.«
»Das heißt doch noch lange nicht, dass er sie vergiftet hat«, rief ich aus.
»Aber es beweist, dass er gelogen hat«, konterte Ridder.
»Was sagt Peter dazu? Sie haben ihn doch bestimmt gefragt!«
»Jetzt regen Sie sich mal nicht auf«, meinte er. »Und setzen Sie sich auf diesen Stuhl. Dieses Umhergerenne macht mich ganz kirre.«
Ich setzte mich. Ridder hatte recht, Panik machte keinen Sinn.
»Aus der Sache mit den heimlichen Besuchen kommen wir gut raus«, erklärte der Anwalt. »Sorge macht mir das Ergebnis der Hausdurchsuchung. Die Staatsanwaltschaft hat Jansens PC beschlagnahmt.«
»Die Mails sind harmlos«, entfuhr es mir.
»Ach ja, woher wissen Sie das?«
Ich entschied mich für die Wahrheit und beichtete.
Ridder schaute mich schräg an.
»Es war mir auch nicht angenehm, in seinen Mails zu schnüffeln«, verteidigte ich mich. »Aber ich wollte gut informiert sein.«
»Ich hab mich mit Herrn Jansen dahingehend geeinigt, dass er die Kontakte zu Frau von Berghofen verschwiegen hat, um seine Frau nicht zu kränken. Klingt zwar ein bisschen lahm, aber damit müssten wir durchkommen.«
»Na also«, meinte ich zufrieden.
»Das ist noch nicht alles«, sagte Ridder. »Die Frau ist mit Rizin vergiftet worden. Ein Gift aus der Rizinuspflanze. Ganz einfach herzustellen.«
»Und?«
»Im Garten des Hügelhauses wächst kein Rizin«, berichtete Ridder. »Aber in Jansens Garten gibt es Rizinus als Zierpflanze.«
»Na und? Die kann man in jeder Gärtnerei kaufen!«
»Stimmt. Aber ich war noch nicht fertig: In der Spülmaschine standen zwei Weingläser. In einem davon fanden sich Spuren von Rizinpulver, in dem anderen ist nichts als Rotwein gewesen. Das Glas mit dem Gift trug Lilo von Berghofens Fingerabdrücke, das andere Glas hatte Jansen angefasst.«
Frustriert fuhr ich zur Redaktion zurück und erledigte Schreibtischarbeit. Wie Jansen sich wohl in der Gefängniszelle fühlte? Ich hatte Lust auf Gespräche und begab mich ins Großraumbüro. Fast alle waren ausgeflogen, nur die drei Damen saßen an ihren Schreibtischen. Kein Geplapper perlte durchs Zimmer: Sara, Stella und Susi waren verstummt.
»Nur keine Trauer, Mädels«, munterte ich sie auf. »Es kommt schon wieder alles in Ordnung.«
»Nix kommt in Ordnung«, zischte Stella und drehte sich zu mir. »Der neue Chef will mich in den Keller stecken.«
»In den Keller?«, fragte ich verdattert.
»Ins Archiv«, schniefte sie. »Also Untergeschoss.«
»Der Arsch sagt, dass es hier nicht genug Arbeit für drei Sekretärinnen gibt«, beteiligte sich Susi. »Dabei können wir vor Arbeit manchmal nicht mehr aus den Augen gucken.«
Ich schluckte. Zu dreiste Lügen nahmen mir den Atem.
»In den Keller!«, keifte Stella. »Wie eine Kellerassel.«
»Ich würde ohne natürliches Licht kaputtgehen«, meinte Sara, offensichtlich froh, dass es sie nicht getroffen hatte. »Ich bin doch kein Bergmann.«
»Unter Tage könnte ich nie arbeiten«, stimmte Susi zu.
»Als Grubenpony wärst du aber 'ne echte Schau«, blaffte Stella.
»Aber, aber, die Damen«, schlichtete ich. »Bald kommt unser Chef zurück und dann wird alles gut. Ich habe eine Strategie entwickelt, er wird bald frei sein.«
»Wirklich?«, strahlte Stella. »Wollen Sie eine Tasse Kaffee, Frau Grappa?«
Eine Stunde später packte ich meine Sachen und begab mich nach Hause, doch Entspannung wollte sich nicht einstellen.
Mir fiel das Quadrat an der Tür des Rabenhügels ein und ich fischte mein Notizbuch aus der Tasche. Darin standen nicht nur die Zahlen, sondern auch die Bezeichnung des Bildes vom Rabenhügel, das im Flur gehangen hatte: Melencolia I, Albrecht Dürer.
Die Melencolia gehörte zu den drei sogenannten Meisterstichen Dürers. Die beiden anderen hießen Ritter, Tod und Teufel und Der Heilige Hieronymus im Gehäus. Ich googelte. Kunstwissenschaftler hatten viel über das geheimnisvolle Blatt geschrieben, alles erklärt und gedeutet.
Dürer selbst hatte die Schlüssel am Gürtel der Frau mit Gewalt und den bestickten Beutel mit Reichtum gleichgesetzt. Der verrutschte Schlüsselbund und der zur Seite gefallene Beutel wurden als Tugendemblem interpretiert: Der Melencolia waren irdische Macht und Reichtum gleichgültig.
Ich lernte, dass die Melancholie
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