Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Sache mit dem Armband ist noch offen«, wandte ich ein. »Da stimmt was nicht mit dem zeitlichen Ablauf.«
»Ich bin wirklich froh, dass sie keine Hure war«, strahlte Wayne. »Das macht plötzlich alles leichter.«
Ich verfasste sechzig Zeilen über Milevs Flucht und hielt dabei – wie Kleist es nannte – die Füße unterm Tisch. Wohl war mir dabei nicht. Ich hätte nur allzu gern über die Verbindung zwischen dem Romapaten und der Missions- Dolmetscherin berichtet.
Ich musste zugeben, dass Ivanas Geschichte nicht schlecht klang. In Plovdiv gab es tatsächlich ein Fremdsprachengymnasium mit dem Namen Ivan Vasov, an dem man Deutsch lernen und ein Diplom ablegen konnte. Auch die Pferdebein-Geschichte hörte sich plausibel an.
Aber das Armband irritierte mich. Wie hatte Zita es in dem Film tragen können, wenn sie es Ivana geschenkt hatte – und zwar vor ihrer Flucht aus der Romagemeinde hin zu Bernd Hohlkötter alias Marko.
Der behauptete, dass der Film gedreht worden sei, nachdem er mit Zita eine eheähnliche Beziehung eingegangen war. Da Zita die Kette in dem Film getragen hatte, die Marko/Bernd ihr zur Verlobung geschenkt hatte, log Ivana. Oder sie verwechselte etwas. Du hast noch Schonfrist, Cissi, dachte ich, aber nur solange du im Krankenhaus liegst.
Mandelhörnchen oder Tabledance
Frau Schmitz ließ bitten. Mit den Worten, sie habe Birsen nun in die Geheimnisse der Herstellung meines Lieblingsgebäcks eingeweiht, hatte sie mich zum Mandelhörnchentest eingeladen.
Ich alarmierte Friedemann Kleist, doch der ließ mich abblitzen. Keine Zeit.
»Milev kommt aber auch«, versprach ich.
»Haha«, machte er.
»War nur ein Versuch. Meine Reize reichen wohl nicht mehr, dich aus deinem Büro herauszulocken …«
»Zurzeit bin ich mehr unterwegs als du«, behauptete mein Lieblingskommissar.
»Auch heute am Samstag?«
»Verbrechen kennt kein Wochenende. Wir vernehmen Milevs Mitarbeiter. Ich muss los. Viel Spaß beim Test und Grüße an Frau Schmitz.« Er beendete das Gespräch.
Eine halbe Stunde später betrat ich die Bäckerei. Es war seltsam, Birsen Aslan hinter dem Tresen zu sehen.
»Hallo, Birsen, schön, dass du jetzt was Vernünftiges machst«, begrüßte ich sie. »Dieser Beruf hat ja Zukunft. Brot brauchen die Leute immer. Hast du das Singen denn ganz aufgegeben?«
»Ich singe weiter«, gab sie mit einem Anflug von Trotz Auskunft. »Für Freunde und Familie. Und ein bisschen für Pitt Brett. Dafür mache ich eine Showtanz-Ausbildung. Mein Vater darf nichts davon wissen.«
»Showtanz? Tabledance oder an der Stange?«, fragte ich.
»Beides«, strahlte sie. »Und irgendwann, da werde ich es allen zeigen. Auch Pitt. Das Showbiz ist meine Welt.«
Diese junge Dame ist für einen ordentlichen Beruf verdorben, dachte ich. »Wo ist denn die gute Frau Schmitz?«, wechselte ich das Thema.
»Hinten. Sie macht die belegten Brötchen fertig. Für die Versicherungsleute. Die haben eine Tagung zwei Straßen weiter in einem Hotel.«
Doch da kam sie schon. »Tach, Frau Grappa!«, strahlte Anneliese Schmitz – in der Hand das Tablett mit den Brötchen. »Wie isses dir?«
»Muss. Und selbst?«
»Muss. Geh schomma durch. Bin gleich da. Kommt noch wer?«
Ich verneinte.
»Kann er nich oder will er nich?«
»Er hat zu viel zu tun. Das Verbrechen kennt kein Wochenende.«
»Wohl wahr«, nickte sie. »Birsen, machste der Frau Grappa ma ’nen Milchkaffee?«
Ich übte mich in Geduld, studierte die ausliegenden Illustrierten und schaute in mein Tageshoroskop:
Heute pulsiert das Blut in Ihren Adern etwas heftiger als sonst. Die konkreten Auswirkungen können von kraftvollen Auseinandersetzungen, von einem unbedachten Liebesabenteuer bis zu erfüllender Sexualität alles beinhalten. Eine erhebliche Spannung liegt in der Luft. Vielleicht wird Ihnen der Alltag zu eng, vielleicht überstürzen sich die Ereignisse. In der hektischen Stimmung neigen Sie dazu, unüberlegt zu handeln.
Das klingt nicht so übel, dachte ich. Birsen brachte den Milchkaffee. Er war nur lauwarm und der Kaffeeanteil war zu gering. Nach drei Minuten pulsierte das Blut in meinen Adern – wie im Horoskop vorhergesagt. Vor Wut.
»Birsen!«, rief ich. »Was ist das denn für eine ekelhafte Plörre? Das ist kein Kaffee, das ist Spülwasser.«
»Immer haben Sie was zu meckern«, maulte sie. »Sind Sie auch mal mit irgendwas zufrieden?«
»Wenn du mir zeigst, dass du wirklich was gut kannst.«
Kraftvolle Auseinandersetzung – so hatte es das
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