Grappa und die Toten vom See
durchkneten, bis alles schön glatt ist.«
»Und was machst du?«
»Ich schaue dir zu.«
Kleist knetete gewissenhaft und nach fünf Minuten war alles gut vermengt.
»Jetzt braucht der Teig mindestens zwei Stunden Ruhe. Ich decke ihn mit Klarsichtfolie ab, damit er nicht austrocknet.«
»Dann haben wir jetzt Pause?«
»So ist es. Du kannst schon mal das Bett anwärmen.«
Nach zweistündiger Unterbrechung übernahm ich das Zepter beim Backen. Ich füllte die Makronenmasse in einen Spritzbeutel und drückte Halbmonde aufs Blech. Die wurden mit Ei bepinselt, mit Mandelblättern bestreut und für dreißig Minuten in den Ofen geschoben. Nach dem Abkühlen tauchte ich die Spitzen in Schokoladenkuvertüre. Das gab den Hörnchen den letzten Schliff.
Aber das bekam Kleist nicht mehr mit. Ein Anruf hatte ihn ins Polizeipräsidium zurückbeordert.
Das Lächeln vor dem Sterben
Am späten Abend meldete sich Miriam Motte. Ihr Bruder hatte sie gebeten, sich bei mir zu melden.
»Das ist sehr nett, dass Sie sich melden«, sagte ich. »Was können Sie mir über die Dokumente sagen, die Ihre Mutter im Safe Ihrer Familie gefunden hat?«
»Ich habe die Unterlagen gesehen«, erklärte sie. »Es handelte sich um Briefe, Bankdokumente und Verkaufsquittungen für Diamanten. Und Fotos.«
»Fotos?«
»Ja. Mitglieder der ›Leibstandarte-SS Adolf Hitler‹ in jenem Hotel, das in den Briefen erwähnt wurde. Die Juden hatten darin auf ihrer Flucht oder Ausreise Station gemacht. Es gab auch Fotos von den Gästen. Es war …« Sie stockte.
»Ja?«
»Diese Menschen lächelten. Sie lächelten in die Kameras ihrer späteren Mörder. Auf einem Bild hielt ein SS-Mann ein jüdisches Kind im Arm. Andere Fotos zeigten schreckliche Szenen. SS-Leute warfen Leichen ins Wasser. Die Mörder grinsten dabei.«
»Haben Sie jemanden auf den Fotos erkannt? Ihren Großvater vielleicht?«
Miriam Motte zögerte. »Die Männer sahen so anders aus in den Uniformen. Ich habe meinen Opa als gütigen alten Mann in Erinnerung. Aber Mutter hat ihren Schwiegervater erkannt. Die Sache ließ sie nicht mehr los. Wir sind an den Lago Maggiore gereist. Wir haben das Hotel gesucht. Doch es ist abgerissen worden. Leider fanden wir auch niemanden, der über das Massaker reden wollte. Mein Vater ließ sich überhaupt nicht ein auf das Thema. Die Ehe meiner Eltern war schon seit Jahren nicht mehr intakt … an dieser Sache zerbrach sie ganz. Mutter war völlig verzweifelt und schickte alles, was sie an Papieren hatte, an David Cohn. Wenig später nahm sie sich das Leben. Damit war für mich endgültig klar: Ich musste möglichst viele Kilometer zwischen mich und meine Familie bringen.«
»Was ist mit Ihrem Bruder? Meint er es ehrlich? Will er wirklich die Wahrheit über Ihre Familie öffentlich machen?«
»Ja, das will er. Sobald er die originalen Dokumente hat. Aber die sind noch immer verschwunden, so erzählte er mir.«
»Das stimmt.«
»Er nimmt an, dass Sie die Sachen haben oder wissen, wo sie sind.«
»Ich hab sie leider nicht«, sagte ich mit Nachdruck. »Sonst wären sie schon längst bei den Ermittlungsbehörden.«
Mehr Mehl und Trockenfutter
Ich fuhr früh in die Redaktion, um die Reaktionen auf meinen Artikel abzufragen. Es gab zahlreiche zustimmende Mails, leider auch aus dem rechtsradikalen Lager. Die Neonazis waren sehr damit einverstanden, dass ausgerechnet der israelische Geheimdienst die Hinrichtung einer Familie jüdischer Abstammung in Auftrag gegeben haben sollte, und lobten die Recherchen des Tageblattes. Das war Applaus von der falschen Seite. Daniel Schatto, der aus ihren Reihen stammte, wurde von seinen Gesinnungsgenossen als heldenhaftes Opfer bezeichnet.
Eine offizielle Stellungnahme der Ermittlungsbehörden lag dagegen nicht vor.
Ich verließ das Verlagshaus wieder und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus.
Frau Schmitz erholte sich von Tag zu Tag besser. Die Hämatome im Gesicht hatten die Farbe gewechselt und schimmerten jetzt violett mit gelben Umrandungen. Der Tropf war abgebaut und sie saß aufrecht.
Die Bäckerin war begeistert, als sie die Kopie meines Schreibens an die Staatsanwaltschaft und die beigelegten Fotos betrachtete.
Sie hatte mich ermächtigt, in ihrem Namen gegen Gisela Golombeck wegen der Attacke auf Kater Horsti und das Betreten ihres Grundstücks Anzeige zu erstatten.
»Das sitzt«, meinte sie. »Haste gut gemacht, Frau Grappa.«
»Gerne. Und jetzt sag, wie isses, Frau Schmitz? Wann kannst du hier
Weitere Kostenlose Bücher