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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Paket wurde soeben ausgeliefert.«
    Bunty und Penelope waren fassungslos. Sally Schwefel und Courtland dagegen sahen erst sich an, dann das Paket. Plötzlich war ihre arrogante Fassade in sich zusammengebrochen, und es herrschte eine geschlagene Minute Schweigen.
    »Er war nachtabgängig und so gut wie tot«, brummte Mrs Schwefel. »Ich bin dem Unvermeidlichen nur zuvorgekommen. Das nehme ich auf meine Kappe.«
    Sie heftete ihren Blick auf mich, doch ich hielt ihm stand. Erst die Leuchtrakete in Travis’ Kopf, jetzt die Neuzuweisung der Postleitzahl – aus einem der beiden Verbrechen konnten sich die Schwefels vielleicht noch herausreden, nicht aber aus beiden. Und das wussten sie.
    »Die Zählung ist hiermit abgesagt«, verkündete Präfektin Schwefel kleinlaut. »Geben Sie Master Russett den Auftrag zurück, Bunty.«
    »Was … ?«
    »Tun Sie, was ich sage, Miss McMostrich.«
    Sie gab ihn mir. Ich fand, dass es allmählich Zeit wurde zu gehen, und verdrückte mich daher rasch. Das Quartett verhasster Gelber ließ ich allein inmitten der Meute verärgerter Grauer zurück, deren Schützlinge unbehelligt und unentdeckt blieben. Und ich ließ eine Graue mit Stupsnase zurück, die hoffentlich so beeindruckt von mir war, dass sie mich auf meiner Exkursion nach Hoch-Safran begleiten würde.

Schnecken, Marmelade und Fahrkarten
    7.3.12.31.208: Vorsätzliche Missachtung der lichtlosen Stunden wird bestraft.
    Als ich nach Hause kam, fand ich eine Nachricht von Violetta vor, die mich daran erinnerte, dass wir heute Abend, wenn das Lampenlicht entzündet wurde, zu einem romantischen Spaziergang verabredet waren und dass ich mir vorher gefälligst die Zähne putzen und Feuchtigkeitscreme auf meine Lippen auftragen solle. Außerdem hatte sie Marmelade vorbeigebracht, Boysenbeere. Es war nur ein kleines Glas, wie man sie bei Verkostungen des Marmeladenkochs des Sektors bekam. Ich musste innerlich lachen, doch ungeachtet Violettas freundlicher Geste, fing ich an, den Putzschrank leerzuräumen, damit ich einen sicheren Rückzugsort hatte, falls sie unerwartet klingelte. Ich übte sogar einige Violetta-Fluchtwege ein, auf denen ich das Kabuff von jedem Punkt des Hauses aus innerhalb von fünf Sekunden geräuschlos erreichen konnte. Gerade hatte ich einen Haustür-Putzschrank-Sprint in vier Sekunden absolviert und war hochzufrieden aus dem Schrank wieder hervorgekommen, als eine Stimme mich aufhorchen ließ.
    »Was um Himmelsblau willen machen Sie denn da, junger Mann?«
    Es war Mrs Lapis-Lazuli, sie musste unbemerkt durch den Hintereingang hereingekommen sein.
    »Ich, äh, ich habe gerade Versteckspielen geübt.«
    »Hm«, sagte sie auf ihre etwas herrische Art, hinter der sich jedoch jemand verbarg, der mit Leib und Seele Bibliothekarin war und viel für Geschichten übrig hatte, »doch nicht etwa ›Vor-Violetta-Verstecken‹?«
    »Das vielleicht auch.«
    Ein Lächeln verzauberte ihre ernsten Gesichtszüge.
    »Das kann ich Ihnen nicht verübeln. Ein grässliches Kind, diese Violetta, und schrecklich verwöhnt. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie nach Hoch-Safran fahren.«
    Ich sagte ja, und sie brachte noch mal ihre Ansicht zum Ausdruck, in dem rhododendronüberwucherten Eichenwald befände sich eine versunkene Bibliothek, und ich möge doch bitte danach suchen.
    »Ihr Optimismus kränkt mich«, hielt ich ihr vor. »Niemand sonst räumt mir auch nur die geringste Chance ein, ich könnte von dort zurückkommen.«
    »Ach«, sagte sie, nur leicht verlegen, »für diesen Fall habe ich Vorkehrungen getroffen. Darf ich es Ihnen erklären?«
    Ich seufzte.
    »Bitte, fahren Sie fort.«
    »In dieser Schachtel befinden sich zwei Briefschnecken«, sagte sie und übergab mir ein wunderschön verarbeitetes Holzkästchen, nicht größer als ein Gänseei. »Jede Schnecke hat ihr eigenes Fach. Auf dem ersten steht ›Hurra, es gibt eine Bibliothek‹, auf dem zweiten ›Pech gehabt, es gibt keine Bibliothek‹. Die Strichcodes der beiden Schnecken habe ich mir notiert. Wenn Sie in Hoch-Safran sind und herausgefunden haben, ob es eine Bibliothek gibt oder nicht, brauchen Sie also nur die entsprechende Schnecke auszusetzen. Soll ich die einzelnen Punkte für Sie noch mal wiederholen?«
    »Ich glaube, ich habe verstanden. Ist Ihnen bewusst, dass Hoch-Safran über sechzig Kilometer von hier entfernt ist?«
    Sie lachte.
    »Ich werde die Rückkehr der Schnecken wohl nicht mehr erleben«, sagte sie, »das wird der nächsten Generation der Bibliothekare

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