Grau - ein Eddie Russett-Roman
Matthew Gloss. Den Teil mit Jane, Zane und der Puka ließ ich lieber aus, aber eigentlich war es auch egal, denn Tommo interessierte sich ohnehin kein bisschen für das, was ich zu erzählen hatte.
»Hast du die Schuhe Größe zweiundvierzig für mich besorgt?«
»Hier.« Ich gab ihm eine Papiertüte mit den Schuhen, die ich dem toten Präfekten von den Füßen gezogen hatte. »Entschuldige. Als ich sie ihm abnahm, habe ich gar nicht bemerkt, wie sehr sie stinken.«
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte Tommo, rümpfte die Nase und zog aus dem Schuh einen verschrumpelten Zeh, der noch an der Einlegesohle klebte. »Hättest du nicht ein Paar aus seinem Kleiderschrank nehmen können?«
»Nein, das wäre Diebstahl gewesen.«
Er beugte sich über den Tisch und warf den Zeh in den Wasserkrug.
»Du bist ein komischer Kauz, Eddie, weißt du das?«
Es kamen immer mehr Rote an unseren Tisch; sie nickten höflich, als ich ihnen vorgestellt wurde. Ich kannte keinen einzigen von ihnen, sie dagegen hatten von mir gehört. Natürlich hätte ich es gerne gesehen, wenn mein Ruhm mit der Bergung des Caravaggio oder meiner entfernten Verwandtschaft mit dem Colormann in Verbindung gebracht worden wäre, von mir aus auch mit meinem Besuch beim Letzten Kaninchen, aber so war es nicht. Ich war derjenige, der nicht nur seine eigene Haut riskiert hatte, um einem Gelben zu helfen, sondern auch so blöd gewesen war, sich beinahe von einem Yateveo fressen zu lassen.
»Wer ist das?«, fragte ich Tommo und deutete auf eine streng blickende Frau, die den Raum betrat.
»Mrs von der Malve. Es wäre eine Beleidigung für alle Pukas, wenn ich sagen würde, sie ist eine Puka in menschlicher Gestalt. Sie gehört zwar nicht zum Dorfrat, hat aber trotzdem ganz schön viel Macht. Lass dich nicht von ihrem Getue täuschen – sie wurde als Marineblaue geboren und ist nur durch Verehelichung eine Purpurne. Die widerwärtige Kreatur hinter ihr ist ihre Tochter Violetta von der Malve. Eine schreckliche Person, die nur Ärger macht. Sie wird als die nächste Oberpräfektin gehandelt. Bloß nicht ihre Aufmerksamkeit erregen.«
Zu spät. Violetta sah, dass Tommo und ich uns unterhielten und hüpfte in affektierter Kleinmädchenmanier zu uns herüber. Sie trug ihr Haar zu Büscheln zusammengebunden, was sie jünger aussehen ließ, und obwohl ihr Gesicht ganz passabel war, kippte es etwas ins Ordinäre durch eine belanglose Nase – stumpf, eigentlich gar nicht vorhanden.
Wie Courtland hatte auch sie eine ganze Sammlung Meriten-Abzeichen an ihrer Kleidung stecken.
»Du musst der junge Russett sein«, sagte sie in einem fast vorwurfsvollen Ton, während ihre Augen über meine Abzeichen glitten. »Du brauchst Demut, was?«
»Glaubt jedenfalls mein Rat.«
»Tausend Meriten?«, sagte sie mit einem Blick auf die vorteilhaftere Hälfte meiner Abzeichensammlung.
»Wie du siehst.«
»Na, Violetta?«, warf Tommo dazwischen. »In letzter Zeit mal wieder ein paar kleine Pelztierchen im Wald erdrosselt?«
Sie musterte ihn kühl und wandte sich dann wieder mir zu.
»Ich bin Violetta«, sagte sie, setzte ihr charmantestes Lächeln auf und quetschte sich dann zwischen uns, sodass wir zur Seite rutschen mussten. »Violetta von der Malve, und mit viel Glück darfst du dich zu meinen Freunden zählen. Ich habe nämlich viele Freunde. Es gibt sogar Leute, die behaupten, ich hätte mehr Freunde als jeder andere im Dorf.«
»Dann darf ich dir zu deinem Glück gratulieren«, sagte ich.
»Das ist aber nett von dir. Also, wollen wir mal sehen … «
Sie nahm ein Notizbüchlein aus der Tasche in ihrem Trägerrock und blätterte darin herum.
»Ich habe schon die maximal zulässige Zahl an Freunden, deswegen muss ich einen abstoßen, um Platz für dich zu schaffen. Ja, hier, Elizabeth Gold.«
Sie strich den Namen Elizabeth durch und schrieb meinen darüber. Eigentlich hatte ich gar nicht zugestimmt, ihr Freund zu werden, aber sie hatte mich auch nicht gefragt. Purpurne gingen allgemein davon aus, dass man mit ihnen befreundet sein wollte.
»So!«, verkündete sie. »Ich konnte ihr Schniefen sowieso nie leiden. Sie hat Spreizfüße, und sie kann nicht mal eine Butterblume von Wiesenklee unterscheiden. Stimmt es, dass du Cello spielst?«
»Nur bis zur dritten Saite. In diesem Sommer soll ich mit der vierten anfangen.«
»Ausgezeichnet! Dann spielst du im Orchester für die Red Side Story mit. Ich selbst kann nicht mitspielen, weil ich die Hauptrolle übernehme. Ich
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