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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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hatte Larissa gesehen, dass Frau Müller selber eine angefangene Tube im Nachtschränkchen gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte sie die mitgebracht.
    Der ältere Kommissar wollte gerade eine weitere Frage stellen, als sein Handy klingelte. Er entschuldigte sich, nahm ab, nickte kurz dem jüngeren zu und ging hinaus.
    Als er draußen war, begann der andere sofort wieder, Fragen über Kevin zu stellen. Er wollte noch einmal wissen, wie Kevin sich selber sah, zum Beispiel aufopfernd oder selbstlos? Bemitleidete er sich manchmal selber, war er unsicher? Larissa schüttelte den Kopf. Hatte er etwas darüber geäußert, dass er unzufrieden war, dass er die Situation in der Pflege oder die der Bewohner unerträglich fände? Wie schätzte sie Herrn Linde ein?
    Plötzlich wusste sie wieder, warum sie vorhin so ein ungutes Gefühl beim Anblick der Polizisten gehabt hatte. Sie hatte es nur verdrängt. Instinktiv log sie wieder, genau wie gestern, indem sie behauptete, dass all das nicht zutreffe, Kevin sich völlig unauffällig verhalte und nie etwas Derartiges geäußert hätte.
    Doch der Typ ließ nicht locker: Hatte Kevin mal etwas in der Richtung gesagt, dass er einen Bewohner nicht mehr sehen oder ertragen könnte, oder dass es besser wäre, wenn die Person schnell sterben würde?
    So langsam wurde Larissa unsicher. Sie wollte natürlich nicht lügen. Dennoch verschwieg sie weiterhin, dass Kevin tatsächlich schon so etwas gesagt hatte. Denn das war ganz sicher nicht so gemeint gewesen, dass er der Bewohnerin hatte schaden wollen. Nicht bei Kevin! Außerdem hatten auch andere Ähnliches schon geäußert. Es war schließlich tatsächlich manchen zu wünschen, dass sie schnell und schmerzlos sterben würden. Besser, als dass sie noch lange unter Schmerzen weiter dahinvegetieren mussten. Aber das wollte sie alles diesem Polizisten nicht sagen. Er wirkte irgendwie hinterhältig. So wie es aussah, wollte er Kevin etwas anhängen! „Nein“, sagte sie wieder entschieden, und auch über Sterbehilfe hatten sie nie geredet, log sie. Als der Kriminalbeamte noch einmal fragte, ob Kevin wirklich nie aggressiv oder jähzornig war, kam Gott sei Dank Kommissar Strobe wieder herein.
    „Frau Groß, wird bei Ihnen auf der Station Morphium aufbewahrt?“, fragte er sofort, nachdem er dem Jungchen wohl hinter Larissas Rücken irgendein Zeichen gegeben hatte.
    „Kann sein“, antworte sie. „Wenn, dann im Giftschrank. Also im Tresor für die starken Schmerzmittel. Für den habe ich aber keinen Schlüssel.“
    „Wer hat einen?“
    „Ich glaube, nur Rita, Bodo, das ist der Schichtleiter von der Gegenschicht, und Kevin.“
    „Aha.“ Der alte Kriminalbeamte mit dem Namen Strobe kratzte sich am Kinn und sah aus, als habe ihre Information ihn durcheinandergebracht. „Und Valium haben Sie sicher auch im Haus?“, fragte er dann.
    „Ja. Diazepam. Das ist das Gleiche.“
    „Auch unter Verschluss?“
    „Ja, schon. Aber nicht im Giftschrank. Die Tropfen kann jeder rausnehmen. Jeder Mitarbeiter meine ich.“ Larissa konnte sich nicht denken, was der Kommissar mit der Frage bezweckte, ahnte aber nichts Gutes.
    Strobe blätterte in einer Akte, die auf Sturs Schreibtisch lag. Als er das Medikamentenblatt aufgeschlagen hatte, fragte er: „Frau Sausele hat Diazepam bekommen?“
    „Ja, bei Bedarf.“ Larissa verstand nur Bahnhof.
    „Gut. Wir sind dann schon fertig, Frau Groß. Könnten Sie uns bitte noch den Giftschrank zeigen?“
    Der Junge schaute den Älteren fragend an, aber Letzteren schien das nicht zu interessieren. Er ging zur Tür und hielt sie auf. Larissa stand auf und verließ den Raum. Ihr Herz raste. Kommissar Strobe klopfte an der Tür zu Heilmanns Büro, machte sie auf und sagte, sie seien vorerst fertig. Von drinnen hörte sie nur die Stimme von Stur, der sich bedankte. Heilmann war vermutlich, so wie meistens, gar nicht im Haus.
    Sie gingen nach oben. Kevin stand im Aufenthaltsraum und quatschte mit Hilde, die gerade Tische abwischte.
    „Grüß Gott, Herr Linde, kommen sie bitte mit uns? Ich habe noch ein paar Fragen an Sie“, sprach der ältere Kommissar ihn an. Larissa ging voraus, ins Schwesternzimmer, ohne auf Kevin zu warten. Herr Strobe folgte ihr. Sie öffnete den Schrank, in dem sich der Tresor für die Betäubungsmittel befand, deutete auf den Giftschrank und trat zurück. Kevin kam herein und schaute sie fragend an. Larissa zuckte ebenso fragend mit den Schultern. Der junge Kommissar betrat als letzter den Raum und

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