Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
es auch daran, dass ich von mir
sagen kann, der Einzige in der Runde zu sein, der die Dinge realistisch zu
betrachten versucht. Ich will nicht ausschließen, dass an manchem, worüber wir
reden, was dran sein kann. Aber ich hätte gern handfeste Beweise.«
»Sehen
Sie«, gab sich Grantner versöhnlich, »dann haben wir sogar eine Gemeinsamkeit.
Auch ich hab’ lieber Beweise als Vermutungen oder Gerüchte. Deshalb werden Sie
mir sicher auf Anhieb sagen können, wie und wann Sie gestern vom Berg
runtergekommen sind.«
»Wenn’s
denn hilfreich ist, bitte: Ich bin gemütlich zur Landsberger Hütte
rübergelaufen.« Er verzog sein Gesicht zu einem ironischen Lächeln. »Aha – werden
Sie jetzt sagen. Und dann hat er dort den Mullinger übern Felsen gestoßen.«
Vergeblich wartete er auf eine Reaktion Grantners, weshalb er ernster fortfuhr:
»Falsch gedacht, Herr Chefinspektor. Ich bin gegangen, nachdem Mullinger schon
weg war. Es dürfte etwa halb zwei gewesen sein. Und ich hab’s gemütlich angehen
lassen. Hab mich in der Sonne ein paar Mal auf Steine gesetzt, bin noch zur
Schochspitze rauf – das ist so ein seitlicher Berggipfel, ganz harmlos und nicht
schwierig – und bin dann bei der Landsberger Hütte ins Tal gestiegen. Der Weg
ist weit, und Sie können dort immer wieder verweilen – auch
weit abseits des Pfads. Somit erübrigt sich die Frage, ob ich Mullinger noch
getroffen habe.«
»Dann
sind Sie zur Landsberger Hütte, ohne dort einzukehren?«
»Ohne
dort einzukehren«, bestätigte Jensen. »Ich wollte ja noch runter zum
Vilsalpsee. Und vom dortigen Ausflugslokal gibts einen Bus-Shuttle hierher nach
Tannheim. Damit bin ich dann runter ins Tal gefahren.«
»Was
dann um wie viel Uhr war?«
»Vielleicht
halb fünf, oder so.«
»Und am
Abend? Wo haben Sie den Abend verbracht?«
»Hier.
Ich war ziemlich fertig. Physisch und psychisch, wenn ich das mal so sagen
darf. Außerdem war’s mir übel. Ich hab im Zimmer oben ein Bad genommen und bin
dann bald eingeschlafen.«
»Ohne
noch etwas zu essen?«
»Ja.
Ich weiß, das macht mich verdächtig. Ich hab’ aufs Abendessen verzichtet,
obwohl ich Halbpension gebucht hab.«
Grantner
nahms zur Kenntnis. »Und Sie waren natürlich allein.«
»Ja,
ganz allein.« Er zeigte ein verkrampftes Lächeln. »Ich bin zwar Banker, heiße
aber schließlich nicht Strauss-Kahn.«
Grantner wusste sofort, dass Jensen auf den ehemaligen
Chef des Internationalen Währungsfonds anspielte, dem vor einem Jahr der
Vorwurf gemacht worden war, in einem New Yorker Hotel ein Zimmermädchen sexuell
belästigt zu haben.
Deshalb zog er mit seiner nächsten Bemerkung bewusst ins
Kalkül, dass er sein Gegenüber provozierte: »Aber Frau Dobler-Maifeld hätte Sie
doch ein bisschen aufmuntern können.«
Jensens Gesichtszüge veränderten sich. Offenbar musste
er sich jetzt beherrschen. Grantner gab ihm gleich gar keine Gelegenheit zu
einem emotionalen Ausbruch, sondern schob eine weitere unangenehme Frage nach:
»Sie und Ihre Freunde haben uns gestern versichert, Frau Platterstein nicht zu
kennen. So ganz mag ich das inzwischen nicht mehr glauben. Gibt’s denn dazu was
zu sagen?«
Jensen
suchte in seinem Sessel nervös eine andere Sitzposition. »Da gibt’s nur so viel
zu sagen, dass wir alle von Karin gebeten wurden, die Kontakte zu ihrer
Schwägerin geheim zu halten.«
»Und
Sie halten sich an diese Abmachung, obwohl Karin jetzt tot ist.«
»Warum
soll das nach ihrem Tode nicht mehr gelten? Auch Larissa hat mich am
Freitagabend noch mal gebeten, mich an diese Abmachung zu halten. Zum Schutz
von Frau Platterstein.«
»Wie
soll ich das verstehen?«
»Frau
Platterstein, also Karins Schwägerin, hatte Angst um ihren guten Ruf, falls
bekannt werden sollte, womit sie sich als Hochschul-Professorin privat befasst.
Sie wissen schon: diese parapsychologischen Dinge.«
Grantner
hatte Mühe, seine Verärgerung zu unterdrücken. »Um es vorsichtig auszudrücken,
Herr Jensen: Glaubwürdiger macht das Sie und Ihre Freunde nicht gerade.«
Jensen
wollte etwas sagen, doch Grantner kam ihm zuvor: »Nur kurz eine
Verständnisfrage: Besuchen S’ eigentlich auch Ihre Freunde auf dem
Campingplatz?«
»Auf
dem Campingplatz?« Wieder zeigte sich in Jensens Gesicht eine Veränderung. »Ob
ich … ? Ja, kurz. Am Donnerstagabend war ich kurz dort, um ›Hallo‹ zu
sagen.«
»Sie
wissen also, wo die Caravans stehen?«
»Ja«,
zögerte Jensen, »ich hab Robert Fischer angerufen und er hat mich am
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