Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
den Ort des
Geschehens wie geplant zu verlassen, zumal ihre Kontakte zu Karin nur aus
einigen wenigen Begegnungen bestanden hatten. Außerdem war sich Larissa ohnehin
unschlüssig, wo ihre Mutter bestattet werden sollte.
»Jetzt
sind wir genauso auf der A7 unterwegs, wie es die anderen waren … «,
sagte Annemarie plötzlich.
Falkenstein
zuckte zusammen. Er hatte soeben mit Tempo 120 einen Sattelzug überholt
und scherte wieder nach rechts ein, wo das Brückengeländer am Mercedes
vorbeihuschte. Wie tief es da wohl runtergeht, meldete sich eine innere Stimme.
Nie zuvor hatte er sich Gedanken darüber gemacht. Das im sanften Rechtsbogen
über das Rottachtal gespannte Betonbauwerk ließ aus der Perspektive des
Autofahrers jedenfalls vermuten, dass sich die Straße rund 40 Meter über Grund
befand.
»Bitte
pass auf, Christoph«, sagte seine Frau. Ihre Stimme klang flehend und drohend
gleichermaßen – als sei Annemarie von einer diffusen Vorahnung ergriffen worden.
Falkenstein
schluckte. Als Theologe waren ihm solche Ängste geläufig. »Mach dir keine
Sorgen, Annemarie«, sagte er und konzentrierte sich auf den Straßenverlauf.
»Die Schutzengel werden bei uns sein.« Dann gab er Gas.
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Die Meldung traf sie wie ein
Donnerschlag. Grantner war bleich geworden, als er das kurze Telefonat mit
seinen Kollegen aus Reutte beendet hatte. Dass der Anruf, der mitten in die
Besprechung der Kriminalisten geplatzt war, Schlimmes befürchten ließ, hatten
die Ermittler bereits an den einsilbigen Bemerkungen Grantners bemerkt.
»Kollegen«, sagte der Chefinspektor und blickte betroffen in die Runde. »Es hat
einen schrecklichen Unfall gegeben. Ein Wohnwagen-Gespann ist von der Metallwerk-Plansee-Brücke
gestürzt.« Er wandte sich direkt an Häberle: »Das ist die Fernpassstraße, die
Umfahrung von Reutte.« Dann erklärte er mit belegter Stimme: »Es hat zwei Opfer
gegeben.«
Häberle
spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Atemlose Stille lag im Raum – bis
Grantner endlich das Entsetzliche aussprach: »Robert und Renate Fischer sind
tot.« Ein paar Sekunden lang war niemand im Raum in der Lage, etwas zu sagen.
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Linkohr hatte inzwischen jede
Menge E-Mails aus Österreich erhalten. Die Kollegen, so schien es ihm, waren
weiterhin sehr bemüht, ihre Informationen möglichst rasch zu übermitteln. Auch
Häberle hielt ihn auf dem Laufenden. Bei allem, was sie jetzt über Karin
Waghäusl wussten, mochte es verständlich sein, dass sie nicht mehr an Zufälle
glauben wollte und empfänglich war für Spirituelles und Übersinnliches. Linkohr
plagte immer stärker die quälende Frage, welches Geheimnis dieser ehemalige
Weinkeller barg. An eine sensationelle Apparatur, von der gerüchteweise die
Rede war, wollte er nicht glauben. Und doch, so hatte er es mit Specki und den
anderen Kollegen besprochen, musste damit gerechnet werden, dass jemand das
Gerücht für bare Münze nahm und in den Besitz der vermeintlichen
Supervorrichtung kommen wollte. Auch Blumenhändlerin Landau hatte sich in einem
Telefongespräch besorgt gezeigt, obwohl sie von den Vorgängen in Österreich nur
peripher unterrichtet war.
Linkohr
sah mit gewisser Sorge dem Erscheinen der morgigen Tageszeitung entgegen.
Lokaljournalist Georg Sander war offenbar in den vergangenen Stunden ziemlich
aktiv gewesen. Sogar den Jungkriminalisten hatte er anzapfen wollen, sich dabei
aber eine Abfuhr eingehandelt. Linkohr hielt sich beim Umgang mit den Medien
strikt an die Maulkorb-Erlässe, wonach nur der Pressesprecher der Polizei etwas
verlautbaren durfte – und dies auch nur mehrfach gesiebt und mit
staatsanwaltschaftlichem Segen. Linkohr hatte den Eindruck, dass sich die
oberen Etagen zunehmend als Geheimnisträger hervortun wollten, um ihre eigene
Bedeutung zu demonstrieren und sich unersetzlich zu machen. Auf der einen Seite
wurde zwar vollmundig Bürgernähe propagiert, auf der anderen hingegen hielt man
den Bürger für nicht mündig genug, um ihm auch unangenehme Wahrheiten zumuten
zu können. Linkohr verscheuchte diese Gedanken, denn gleich würde er Nena
treffen. Er hatte sie nicht zur Dienststelle kommen lassen wollen, um jeglichen
Tratsch über seine Frauengeschichten gleich von vornherein auszuschließen.
Stattdessen trafen sie sich auf dem Parkplatz der EWS-Arena, zu der man noch
vor einigen Jahren schlicht und bodenständig Hohenstaufenhalle gesagt hatte.
Nena kam pünktlich mit ihrem japanischen Kleinwagen angefahren, was
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