Grave Mercy Die Novizin des Todes
Herzogin in ihrem Wintergarten aufzuwarten. Es widerstrebt mir, den Tag unter Madame Dinans kritischem Auge zu verbringen, aber ich tauge zu nicht viel anderem. Ich hatte daran gedacht, durch den Palast zu schleichen und auszuspionieren, wen immer ich ausspionieren könnte, aber Duval hat mich darauf hingewiesen, dass fast alle auf der Jagd sein würden.
Die Herzogin sitzt im kalten Dezembersonnenschein, der durch die Fenster des Wintergartens fällt. Ihre Schwester Isabeau liegt auf einem Sofa, das man neben sie geschoben hat. Die übrigen ihrer Hofdamen sitzen im Raum verteilt. Die Stimmung ist ernst, und die Herzogin ist bleich und in sich gekehrt. Nur Madame Dinan scheint guter Laune zu sein. Ich sehe sie mir genauer an. Könnte sie Nemours’ Tod befohlen haben? Ist sie so fest entschlossen, ihren Halbbruder d ’ Albret auf den bretonischen Thron zu setzen?
Die kleine Isabeau sieht mich als Erste. Sie winkt schüchtern, und die Herzogin dreht den Kopf, um der Bewegung zu folgen. »Kommt herein, Demoiselle Rienne!«, ruft die Herzogin mit ihrer hohen, melodischen Stimme. Ich knickse schnell, dann betrete ich den Wintergarten. Die jüngeren Damen starren mich mit offener Neugier an, während Madame Dinans Augen herausfordernd glitzern. »Was führt Euch hierher, Demoiselle?« Madame Dinans Tonfall ist distanziert und kühl, dazu gedacht, mich zu verscheuchen.
Ich umfasse meinen Nähkorb fester und recke das Kinn vor. »Ich bin aufBefehl der Herzogin hier«, erkläre ich ihr.
Madame dreht den Kopf zur Herzogin um und zieht fragend eine elegante Augenbraue hoch. »Ich habe sie eingeladen, sich uns anzuschließen.« Die Ungeduld der Herzogin sagt mir, dass es zwischen ihr und ihrer Gouvernante nicht zum Besten steht.
»Euer Hoheit.« Madame Dinan senkt die Stimme und tut so, als wolle sie nicht, dass ich sie höre. »Ich weiß, dass sie eine besondere Freundin Eures Bruders ist, aber es ist unpassend für jemanden in Eurer Position, sie in Eurer Gesellschaft zu haben. Ihr müsst an Euren Rang denken. Außerdem, habt Ihr nicht genug Freundinnen hier, die Euch die Zeit vertreiben?« Sie deutet mit ihren anmutigen Händen auf die anderen Damen, und ich frage mich unwillkürlich, wie viele von ihnen Madame Dinan in irgendeiner Weise verpflichtet oder ihr sogar blind ergeben sind.
Die Herzogin stickt weiter und ignoriert ihre Gouvernante; sie lässt sich nicht dazu herab, ihren Protest in Worte zu fassen. Während das Schweigen sich in die Länge dehnt, räuspert sich eine der Hofdamen nervös. »Haben Sie je herausgefunden, wer der Mann war, der in den Tod gestürzt ist?«, fragt sie in die Runde. »Es heißt, er sei recht gutaussehend gewesen.«
Das Wenige an Farbe, was noch im Gesicht der Herzogin war, entweicht nun auch, und sie konzentriert sich mit Gewalt auf ihre Stickerei. Madame Dinan schnalzt mit der Zunge. »Keine solch morbiden Gespräche heute, meine Damen. Was wünscht ihr euch, dass die Männer von der Jagd mitbringen? Hirsch oder Wildschwein?«
Während die Damen sich daran machen, über die Jagd zu sprechen, setze ich mich neben Isabeau.
Sie lächelt, und ich lächele zurück. Das Mädchen ist bleich und ausgezehrt, und mir scheint, als brenne ihr Lebensfunke nur noch ganz schwach. Ich stöbere in meinem Korb und hole das Altartuch hervor, an dem ich beim letzten Mal gearbeitet habe. Dann greife ich nach der Nadel, in die blutrotes Seidengarn gefädelt ist, und schwöre mir, mir diesmal mehr Mühe zu geben. Ich habe die Absicht, die Fähigkeit zu erwerben, jede Wunde an meinem Körper zu nähen, die ich erreichen kann. Ächzend steche ich die Nadel in das Leinen.
Die Damen sprechen von den bevorstehenden Adventsfestlichkeiten und diskutieren die jüngsten romantischen Verse des Hofdichters. Ich ignoriere ihre Stimmen und konzentriere mich auf meine Stickerei, erfreut zu sehen, dass meine Stiche langsam sauber und gleichmäßig werden.
Nachdem sie jeden Aspekt der bevorstehenden Feiertagsunterhaltungen gründlich diskutiert haben, ergreift Madame Dinan das Wort auf eine gekünstelt beiläufige Art, dass sich mir die Haare im Nacken aufstellen. »Euer Hoheit, Graf d ’ Albret ist heute Morgen nicht zur Jagd ausgeritten. Er dachte, dass dieser Nachmittag ein guter Zeitpunkt wäre, damit Ihr und er einige Dinge erörtern könnt. Allein«, fügt sie hinzu und sieht uns Übrige an.
Bei der Erinnerung daran, wie sie gezetert hat, als Duval eine ähnliche Ungestörtheit verlangte, kann ich nicht
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