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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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die Zeit bei einem Autounfall
verlangsamte; er musste also Zeit zum Denken gehabt haben, musste
gewusst haben, was geschah, so wie sie es nun wusste.
    Und dann war es still.
    Sie lebte noch.
    Sie ging im Geist ihre Körperteile durch. Füße, Beine, Arme,
Hände. Sie war noch ganz. Sie schlug die Augen auf. Staub wirbelte
durch das Wageninnere, brannte in den Augen und ließ sie husten.
    »Sind Sie okay?«, fragte Henry.
    »Ich glaube, ja«, sagte Susan. »Haben wir ihn gerammt?« Sie
wusste nicht, warum sie so besorgt wegen des Tiers war.
    »Können Sie aussteigen?«, fragte Henry.
    Sie löste den Sicherheitsgurt und fiel erst auf die Schulter
und dann zur Seite. Der Wagen war voller Glas und Erdreich, und ihre
Schulter schmerzte vom Aufprall, aber sie zwang sich, nicht liegen zu
bleiben. Die Windschutzscheibe war zerbrochen, und sie rutschte auf die
geschwärzte Erde hinaus, die noch warm war. Die Holzkohle schmeckte wie
verbrannter Toast.
    Sie krabbelte ein Stück fort vom Wagen. Er war an einem
verkohlten Baum liegen geblieben, nachdem er sich vollständig gedreht
hatte. Der Kofferraum lag an dem Baum, die Kühlerhaube zeigte zur
Straße hinauf. Die Räder drehten sich noch. Susan schüttelte sich
Zweige und Bruchstücke der Scheibe aus dem Haar und stand auf, aber
sofort wurde ihr schwindlig, und sie musste sich wieder setzen. Hustete.
    Ihre Nase. Sie berührte ihr Gesicht. Der Verband war noch
dran. Es schmerzte. Aber nicht mehr als vorher.
    Sie sah sich um. Sie befanden sich etwa zehn Meter unterhalb
der Straße und blickten auf den See. Sie blinzelte wegen des Rauchs.
Jenseits des Sees waren die Berghänge verwüstet, nur noch verkohlte
Reste von Bäumen standen. Es sah aus wie das Ende der Welt.
    Sie hörte, wie sich Henry befreite, es gab einen dumpfen
Aufprall, und kurz darauf zog er sich durch die Windschutzscheibe. »Das
Funkgerät ist im Eimer«, sagte er.
    Er ging zum Heck des Wagens. »Verdammt«, sagte er. »Der
Kofferraum geht nicht mehr auf.«
    Susan rutschte ein Stück die Böschung hinab zu ihm. Der
Kofferraum des Wagens hatte sich um den Baum gewickelt.
    »Das heißt?«
    »Der Erste-Hilfe-Kasten ist da drin. Leuchtpistole,
Taschenlampe, alles.« Er rieb sich über den Schädel. »Also gut«, sagte
er. »Wir müssen zu Fuß hier raus.« Er begann, den Hang hinaufzugehen.
    »Kommen Sie«, sagte er und drehte sich zu Susan um.
    Sie rührte sich nicht. »Der Ranger sagte, wir sollen im Wagen
bleiben.«
    »Der Wagen liegt auf dem Dach«, erwiderte Henry.
    Susan verschränkte die Arme. »Ich bleibe hier.«
    »Ich lasse Sie nicht zurück«, sagte Henry und streckte eine
Hand aus.
    »Nein, wirklich«, sagte Susan. »Ist schon in Ordnung. Lassen
Sie mich hier.«
    »Kommen Sie Susan. Es wird bald dunkel. Auf der Straße sind
unsere Aussichten besser.«
    Susan starrte ihn noch einen Moment an, dann drehte sie sich
zum Wagen um und kroch auf Händen und Knien halb durch das
Beifahrerfenster.
    »Susan«, stöhnte Henry.
    Sie entdeckte, wonach sie suchte und angelte es sich. »Ich
hole nur meine Handtasche«, sagte sie. Dann krabbelte sie rückwärts aus
dem Wagen und bürstete sich das Glas von ihrer Jeans.
    Henry streckte die Hand aus, und sie nahm sie. »Ich fahre nie
wieder in den Wald«, sagte sie, während er sie den Hang hinaufzog.
    Der Hirsch war fort.
    »Anscheinend haben wir ihn nicht erwischt«, sagte Susan.
    »Das Vieh kümmert mich einen Scheißdreck«, sagte Henry.
    »Wieso haben Sie dann das Steuer herumgerissen?«, fragte Susan.
    »Ich wollte den Wagen schützen.«
    Susan zog eine Augenbraue hoch und sah den Hang hinunter zu
dem Wrack des Crown Vic. »Ach so«, sagte sie.
    Auf der anderen Straßenseite stach ihr etwas ins Auge, und sie
lief hinüber, um es aufzuheben. »Schauen Sie«, sagte sie freudig.
»Meine Wasserflasche.«
    »Einfach wunderbar.«
    »Mal sehen, ob Sie auch noch so sarkastisch sind, wenn Sie vor
Durst umkommen«, erwiderte Susan und säuberte die Flasche vom Dreck.
Sie kramte zwei Ibuprofen aus der Tasche und spülte sie mit einem
Schluck aus der Flasche hinunter.
    »Wir werden nicht verdursten«, sagte Henry. Er zeigte ein
Stück voraus auf eine Meilentafel, auf der ›90‹ stand. »Wir sind fast
da. Wir müssen nur noch vier Meilen laufen.«
    »Zu Fuß?«, sagte Susan und sah auf ihre schicken Stiefel
hinunter. Ihre Kehle schmerzte, und der stickige hellrote Dunst wurde
nicht lichter.
    »Bis wir dort sind, wird die ganze Kavallerie eingetroffen
sein. Falls sie nicht

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