Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
getötet worden war. Er flogdie beiden zum Balkon der Hohen Halle und setzte sie vorsichtig ab. Zitternd und weinend kauerten sie sich zusammen, bis jemand kam und sie abholte. Die Halle war voller Menschen, die von den Fledermäusen hereingebracht wurden.
»Gregor, ich muss dich jetzt verlassen«, sagte Ares. »Es gibt noch mehr, die ich retten kann.«
»Ja. Flieg nur. Ich komme schon klar«, sagte Gregor. Er glitt von Ares herunter und hielt sich auf Händen und Knien. Ares zögerte. »Geh. Mir wird schon jemand helfen.«
Doch als Ares davonflog, wusste Gregor, dass damit nicht so bald zu rechnen war. In der Hohen Halle herrschte Chaos. In der Luft war ein einziges Geflatter und am Boden sammelten sich blutende Menschen. Gregor hatte zu starke Schmerzen, um über den Lärm hinweg zu rufen oder auch nur auf sich aufmerksam zu machen. Und da waren so viele Menschen, die ebenso dringend Hilfe brauchten. Er konnte sich nur an die Wand mit dem Balkon schleppen und sich an eine große steinerne Urne lehnen. So wurde er wenigstens nicht zertrampelt.
Das war aber auch schon alles. Der Schmerz in seinem Rücken war unerträglich. Vielleicht hatte der Fluch ihm mit dem Schwanz einen tödlichen Schlag versetzt, vielleicht hatte er ein lebenswichtiges Organ verletzt, und Gregor wartete jetzt nur noch auf den Tod. Es waren die Rippen unten am Rücken. Links, seine schwache Seite. Was saß eigentlich links? Ihm fiel nur das Herz ein, aber das konnte es nicht sein.
Gregor versuchte möglichst flach zu atmen. Wenn er die Rippen auch nur ein kleines bisschen bewegte, wurde es noch schlimmer. Er hätte gern gestöhnt, aber selbst das war zu anstrengend. Um ihn herum wurde auch schon genug gestöhnt. Gestöhnt, geweint und geschrien. Wenn sie doch alle mal ruhig gewesen wären, nur einen Moment. Dann wäre der Schmerz vielleicht nicht ganz so schlimm. Nur einen Moment Ruhe.
Je länger Gregor dasaß, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, dass Sandwichs Prophezeiung – jedenfalls der Teil über ihn und den Fluch – sich erfüllt hatte.
Fliesst das Blut des Monsters rot
Ist der Krieger endlich tot
Er würde sterben. Und der Fluch vermutlich auch. Gregor hatte gesehen, wie das Blut aus seinem Schwanz gespritzt war. Selbst ein so riesiges Vieh wie der Fluch hatte nicht unendlich viel Blut. Konnten die Ratten die Wunde stillen? Oder lag der Fluch jetzt irgendwo und wartete wie Gregor darauf, dass die letzten Sekunden seines Lebens abliefen?
Tick tack tick tack tick tack tick tack tick tack tick tack tick tack …
Gregor konnte knapp über den Rand der niedrigen Brüstung hinwegschauen, die den Balkon umgab. Die Ratten waren jetzt überall. Sie kletterten über die Dächer, verwüsteten die Wohnungen, fraßen die Toten auf. Die Menschenarmee hatte sich neu gruppiert zum Angriff, aber in der Stadt war es fast unmöglich, die Ratten zu erwischen. Es gab zu viele Türen und Fenster, durch die sie entkamen und aus denen sie unerwartet hervorsprangen. Da alle Gebäude mit Ornamenten verziert waren, konnten die Ratten mit Ausnahme des Palastes alles erklimmen.
Auf der anderen Seite der Stadt lag in weiter Ferne die Arenamit den vielen Huschern. Gregor fragte sich, wie es ihnen wohl ging. Die Arena war von der Stadt durch gewaltige Steintore getrennt, die man verschließen konnte, aber was war mit den Tunneln, die von der anderen Seite in die Arena führten? Es gab keine Möglichkeit, darüber etwas in Erfahrung zu bringen.
Allmählich wurde es etwas ruhiger. Das Licht war jetzt gedämpft. Es ist Abend, dachte Gregor durch einen Schmerzensschleier. Bald wird es Nacht. Dann fiel ihm ein, dass es hier unten weder Tag noch Nacht gab. Vielleicht wurde er blind. Alles sah irgendwie unscharf aus. Ja, jetzt war er sich ziemlich sicher, dass er nicht richtig sehen konnte, und das war bestimmt das erste Anzeichen dafür, dass er bald …
»Gregor!« Das war Howard, er klang sehr besorgt. Dann sagte er beruhigend: »Gregor, ich bin’s, Howard. Kannst du mich hören?« Jetzt erkannte Gregor sein Gesicht. »Bist du verletzt? Was ist los?«
»Rücken.« Gregor bewegte die Lippen, aber es kam kein Ton heraus. Howard war es offenbar gewohnt, Lippen zu lesen, denn er umfasste Gregors Oberkörper. Sofort fanden seine Finger die Vertiefung. Als er die Rippen abtastete, zuckten Blitze vor Gregors Augen. »Nein!« Diesmal trug seine Stimme.
»Gregor, ich weiß, dass es sehr wehtut, doch ich glaube, ich kann dir helfen. Du musst dich
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