Gregor und der Fluch des Unterlandes

können. Howard und Temp unterhielten sich weiter mit dem zweisprachigen Skorpion. Luxa holte die allerletzte, schon ziemlich gammlige Torte heraus und stellte sie den Skorpionen zum Zeichen des Friedens hin. Keiner dachte mehr an Kampf.
    Luxa leckte ein wenig Zuckerguss vom Finger und schüttelte den Kopf. »Das erinnert mich an etwas, das Hamnet im Dschungel gesagt hat«, sagte sie zu Gregor.
    »Was denn?«, fragte er.
    »Dass viele Lebewesen lieber nicht kämpfen würden«, sagte Luxa.
    »Aber wenn man immer gleich mit dem Schwert rumfuchtelt, erfährt man das nicht«, sagte Gregor, dem es jetzt auch wieder einfiel. »Wie gut, dass wir heute alle so neben der Spur waren.«
    »Ja, hätten wir gekämpft, hätte es gewiss Tote gegeben«, sagte Luxa.
    »Die Pikser sind einverstanden, dass wir hier Rast machen, ehe wir weiterziehen«, sagte Howard.
    Ares und Nike erfuhren von einem Fluss, der durch einen nahe gelegenen Tunnel floss, und kehrten bald mit Fisch zurück. Dann machten sie eine Art Picknick mit den Skorpionen: Es gab rohen Fisch und Kuchen und zum Trinken kaltes Wasser.
    Boots rührte den Fisch nicht an, aber es machte ihr großen Spaß, die Skorpionbabys damit zu füttern. Sie nahmen den Fisch, konnten ihn jedoch noch nicht richtig schlucken. Offenbar tranken die Skorpione ihre Nahrung, ähnlich wie die Spinnen damals. Sie spritzten eine Flüssigkeit hinein, bis eine breiige Masse entstand. Die Babys stibitzten kleine Häppchen von dem Brei, der vor ihrer Mutter lag. Gregor gab sich alle Mühe, nicht hinzusehen.
    Hazard und Temp machten sich derweil weiter als Dolmetscher nützlich.
    »Von den Piksern wissen wir so wenig«, sagte Howard. »Frag sie mal, ob sie schon immer hier gelebt haben oder ob sie umherziehen.«
    »Sie sagen, dass sie schon immer hier gelebt haben. Normalerweise ist es hier ganz friedlich. Keiner stört sie. Doch in letzter Zeit kommt das ganze Unterland an ihre Tür. Leuchter, Huscher, Nager, Krabbler, Flieger und sogar Töter«, sagte Hazard. Er biss in einen rohen Fisch, als hätte er nichts Ungewöhnliches gesagt. Aber Gregor sah den entsetzten Ausdruck auf Howards und Luxas Gesicht.
    »Töter«, sagte Gregor. »Was sind denn das für welche? Läuft hier noch ein anderes Monster rum?«
    »Oh nein, Gregor«, sagte Hazard nur. »Das sind wir. Wir Menschen sind die Töter.«

18. Kapitel
    W as meinst du damit, wir sind die Töter?«, fragte Gregor.
    »Du weißt doch, dass alle Lebewesen zwei Namen haben. Die Ratten heißen Nager. Die Fledermäuse heißen Flieger. Die meisten bezeichnen Temp als Krabbler, aber meine Mutter nannte ihn Kakerlak wie du«, sagte Hazard. »Und sie sagte ›Spinne‹, wie Boots.«
    »Als Sandwich hier herunterkam, hat er ebenfalls das Wort ›Spinne‹ benutzt«, sagte Howard. »Aber mit der Zeit wurde ›Spinner‹ gebräuchlicher.«
    »Im Unterland sind die Lebewesen nach dem benannt, was sie tun«, sagte Hazard. »Deshalb heißen sie Pikser«, fügte er mit einer Kopfbewegung zu einem Skorpion hinzu. »Und Ares ist ein Flieger. Und wir sind Töter.«
    »Das hab ich noch nie gehört«, sagte Gregor.
    »Wir mögen den Namen nicht, deshalb nennen unsereFreunde uns nicht so. Und auch unsere Feinde gebrauchen ihn nicht in unserer Gegenwart, weil er die Menschen zu stark erscheinen lässt«, sagte Howard.
    »Töter, hm?«, sagte Gregor zu Luxa. Er hatte so viel im Unterland gesehen, dass er die Menschen schon längst nicht mehr für die Guten hielt. Sie konnten großen Schaden anrichten. Aber womit hatten sie den Namen »Töter« verdient? Hatten sie wirklich mehr getötet als alle anderen Lebewesen?
    »Es ist ein sehr alter Name. Wie Howard bereits sagte, mögen wir ihn nicht«, sagte sie. »Es überrascht mich, ihn aus deinem Munde zu hören, Hazard.«
    »Mein Vater hat ihn manchmal benutzt«, sagte Hazard.
    »Nun ja, dein Vater war nicht … er gehörte nicht mehr richtig zu uns«, sagte Luxa. »Ich meine, er wollte nicht mit uns zusammenleben.«
    »Nein. Er wollte kein Töter sein«, sagte Hazard.
    »Hör auf! Ich will das nicht mehr hören!«, sagte Luxa.
    Hazard schaute sie verdutzt an. Sie wies ihn so gut wie nie zurecht. »Warum nicht? Es ist doch wahr. Die Menschen sind dafür bekannt, dass sie töten.«
    »Es ist ein sehr alter Name, Hazard«, sagte Howard. »Und wir würden uns wünschen, dass er ganz in Vergessenheit geriete.«
    »Ich wüsste nicht, wie das passieren sollte«, sagte Hazard ernsthaft. »Die meisten Lebewesen nennen euch in ihrer