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Gregor und der Spiegel der Wahrheit

Gregor und der Spiegel der Wahrheit

Titel: Gregor und der Spiegel der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Collins
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er keine übereilten Schlüsse ziehen.
    »Warum kommst du hierher, Hamnet?«, fragte Solovet heiser. »Zehn Jahre lang kamst du sehr gut ohne uns aus. Liefst fort und machtest dir so wenig aus uns, dass du unsglauben ließest, du seiest tot. Warum kommst du jetzt hierher?«
    Weggelaufen? Gregor hatte noch nie gehört, dass jemand aus Regalia weggelaufen war. Im Allgemeinen galt es als Todesstrafe, außerhalb der schützenden Mauern der Stadt leben zu müssen. Doch hier war jemand, der weggelaufen war und dem es offenbar gut dabei ging. Warum hatte er Regalia verlassen? Gregor starb fast vor Neugier, aber jetzt war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um danach zu fragen. Eigentlich fand Gregor es schon peinlich, in so einem persönlichen Moment überhaupt dabei zu sein.
    »Ich bin hier, weil ich es versprochen habe«, sagte Hamnet. »Als ich Regalia vor zehn Jahren verließ, krabbelte ein kleines Mädchen hinter mir her und ließ mich schwören, heute an dieser Stelle zu sein. Sie sagte mir, ich würde mich in der Gesellschaft eines Zischers und eines Halbländerkindes befinden. Ich hielt sie für verrückt und willigte nur ein, damit sie Ruhe gab. Doch als ich zehn Jahre später immer noch lebte und mich tatsächlich in der Gesellschaft eines Zischers und eines Halbländerkindes befand, dachte ich, sie habe vielleicht eine wahre Vision gehabt. Wo ist Nerissa? Lebt sie noch?«, sagte Hamnet.
    »Sie lebt nicht nur, sie regiert sogar«, sagte Ripred.
    »Sie regiert?«, sagte Hamnet. »Aber was ist mit …?«
    »Deine Schwester Judith und ihr Mann wurden von Ratten getötet. Deine Nichte Luxa verschwand vor einigen Monaten bei einer Schlacht im Irrgarten. Wir vermuten,dass sie tot ist«, sagte Solovet. »Doch du hast das Recht verloren, sie zu betrauern, Hamnet. Deine Zwillingsschwester Judith, ihr Mann, deine Nichte – du ließest sie im Stich, als du uns den Rücken kehrtest.«
    Mannomann. Jetzt wollte Gregor wirklich nicht hier sein. Da wurde ja ganz schön schmutzige Wäsche gewaschen.
    »Du hast mir nichts zu befehlen, Mutter«, sagte Hamnet. »Nicht, was ich tun soll, nicht, was ich denken soll, und schon gar nicht, wen ich betrauern soll.«
    »Dann bist du also unser Führer?«, fragte Lapblood dazwischen. Ungeduldig fegte sie einen Haufen Knochen mit dem Schwanz beiseite.
    »Ich weiß nicht. Bin ich das?«, fragte Hamnet.
    »Wenn man deiner verrückten Königin glauben darf«, sagte Mange. »Sie hat gesagt, du würdest uns zum Weingarten der Augen führen.«
    »Ach ja? Und was könnte so eine bunte Truppe wie ihr dort zu suchen haben?«, fragte Hamnet.
    »Die Prophezeiung des Bluts hat ihr hässliches Haupt erhoben«, sagte Ripred. »Und wahrscheinlich ist der Weingarten die Wiege.« Seine Zähne brachen durch die Decke des Schädels, an dem er nagte, und kamen zu den Augenhöhlen heraus.
    »Die Prophezeiung des Bluts … tja, ich war sehr lange fort. Und wo habt ihr euren Krieger?«, fragte Hamnet.
    »Da drüben, mit den Stiefeln in den Knochen«, sagte Ripred.
    Gregor, der immer noch versuchte, die Füße unauffällig aus dem Brustkorb zu befreien, hielt unter Hamnets Blick inne. Sollte Ripred ihn doch in diesem Moment vorstellen, wo er gerade wie ein Volltrottel aussah.
    »Das ist der Krieger? Bist du dir sicher?«, fragte Hamnet.
    »Ziemlich sicher. Der hat schon zwei Prophezeiungen hinter sich gebracht. Keine Sorge, er ist wesentlich fähiger, als er aussieht. Hat allerdings eine etwas große Klappe. Er verbreitet sogar das Gerücht, er sei ein Wüter«, sagte Ripred.
    »Krieger und Wüter in einem. Der fleischgewordene Traum meiner Mutter«, sagte Hamnet und betrachtete Gregor mit unverhohlener Abneigung.
    Wütend trat Gregor gegen den Brustkorb und schaffte es endlich, die Füße freizubekommen. Er fand es unmöglich von Ripred, dass er die Sache mit dem Wüter erwähnt hatte. Was hatte Twitchtip gesagt, was ein Wüter sei – ein geborener Mörder? Wer wollte das schon sein? Gregor bestimmt nicht! Und er prahlte schon gar nicht damit herum!
    »Also, im Dschungel hat man es als Wüter dreimal so schwer«, sagte Hamnet. »Ich hoffe, du hast deine ›Kräfte‹ im Griff.« Die letzte Bemerkung triefte vor Sarkasmus.
    »Ach ja? Na, ich hoffe, du weißt, wo’s langgeht, ich hab nämlich nicht viel Zeit«, schoss Gregor zurück. So etwas konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen.
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zugestimmt hätte, euch irgendwohin zu bringen«, sagte Hamnet.
    »Und ich kann mich

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