Gregor und die graue Prophezeiung
Shed wandte sich zu Gregor.
»Jetzt bist du tot!«, schrie er. Boots stieß einen entsetzten Schrei aus, als Shed sich auf sie stürzte. Gregor machte sich auf alles gefasst, aber Shed kam nicht mehr zum Angriff. Er schnappte nach Luft und fasste an die Klinge, die seine Kehle durchstieß.
Aus dem Augenwinkel sah Gregor, wie Aurora, Luxas Fledermaus, hinaufschnellte. Er hatte keine Ahnung, wann Luxa gekommen war. Sie musste kopfüber geflogen sein, als sie Shed erstochen hatte. Obwohl Luxa sich flach auf den Rücken der Fledermaus legte, gelang es Aurora kaum abzudrehen, ohne mit Luxa an der Decke entlangzuschaben.
Shed sackte an der Wand der Grotte in sich zusammen.Er war am Ende. Mit brennenden Augen starrte er Gregor an. »Überländer«, sagte er gurgelnd, »wir werden dich verfolgen bis zur letzten Ratte.« Und mit diesen Worten starb er.
Gregor wollte gerade wieder zu Atem kommen, als Henry neben ihm landete. Er schob Gregor zum Strand, hob Perdita hoch und flog davon. »Verbrennt das Land!«, rief er.
Während Mareth das Blut noch aus der klaffenden Wunde an der Stirn lief, entwand er Shed und Fangor die Schwerter. Er schleppte die Ratten in den Fluss, und ihre Körper wurden sofort von der Strömung mitgerissen. Mareths Fledermaus ging zittrig wieder in Flugposition, und er schwang sich auf ihren Rücken. Er schnappte sich die Trage mit Boots und legte Gregor mit dem Bauch nach unten vor sich.
Gregor sah, wie Aurora Perditas verletzte Fledermaus mit den Klauen an den pelzigen Schultern festhielt. Luxa hatte irgendwann die Öllampe aus dem Boot geholt. Als sie sich in die Lüfte erhoben, warf sie sie zu Boden.
»Lass die Fackel fallen!«, schrie Mareth, und Gregor schaffte es, die Finger zu strecken und sie loszulassen.
Als sie aus der Grotte hinausflogen, sah er nur noch, wie der Strand in Flammen aufging.
9. Kapitel
W ährend Gregor sich an der Fledermaus festklammerte, schaute er auf den dahinschnellenden Fluss. Im ersten Moment war er erleichtert, den Ratten entkommen zu sein. Doch schon bald machte es ihm Angst, auf einer verwundeten Fledermaus durch die Luft zu sausen.
Boots hielt seinen Hals so fest umklammert, dass er kaum atmen, geschweige denn sprechen konnte. Und was hätte er Mareth auch sagen sollen? »Du, die ganze Geschichte da am Strand tut mir echt Leid«?
Natürlich hatte er keine Ahnung von den Ratten gehabt. Aber hatten die Unterländer nicht versucht ihn zu warnen? Nein, sie hatten von Gefahren gesprochen, aber außer den Kakerlaken hatte niemand die Ratten direkt erwähnt. »Ratte schlecht«, hatte einer gesagt. Und später beim Handeln mit Luxa hatten sie davon gesprochen, wieviel die Ratten zahlen würden. Er und Boots hätten an die Ratten verkauft werden können, und was dann?
Ihm wurde übel, und er schloss die Augen, um das schäumende Wasser nicht mehr sehen zu müssen. Jetzt hatte er das Gemetzel am Strand vor Augen. Dann doch lieber das Wasser. Das Licht des Feuers verschwand langsam, und das Wasser wurde tiefschwarz. Als auf den Wellen wieder Licht aufflackerte, wusste Gregor, dass sie bald in Regalia sein würden.
Eine Gruppe Unterländer wartete auf dem Kai. Sofort trugen sie die bewusstlose Perdita und ihre blutende Fledermaus davon. Sie versuchten Mareth auf eine Trage zu legen, doch er weigerte sich und bestand darauf, seine Fledermaus mit hineinzutragen.
Gregor saß auf dem Kai, wo Mareth ihn nach der Landung hingeschoben hatte, und wünschte, er könnte verschwinden.
Boots war jetzt ruhig, aber er spürte, dass ihre kleinen Muskeln steif vor Angst waren. Fünfzehn, vielleicht zwanzig Minuten vergingen. Er wusste es nicht.
»Aufstehen!«, raunzte ihn jemand an, und er sah Mareth, der wütend auf ihn herabschaute. Er hatte die Stirn verbunden, die rechte Gesichtshälfte war bläulich verfärbt und geschwollen. »Auf die Füße, Überländer!«, schimpfte er. Hatte Gregor ihn vor ein paar Stunden wirklich noch für schüchtern gehalten?
Langsam streckte Gregor die steifen Beine und standauf. Mareth band ihm die Hände fest auf dem Rücken zusammen. Diesmal bestand kein Zweifel: Er war ein Gefangener. Ein zweiter Wächter gesellte sich zu Mareth, und Gregor wurde abgeführt. Seine Beine fühlten sich taub an. Was hatten sie jetzt mit ihm vor?
Er achtete nicht darauf, wohin sie gingen. Er ließ sich einfach vorwärts schieben. Er hatte eine undeutliche Ahnung, dass er viele Treppen hochstieg, bevor er einen großen, rautenförmigen Raum betrat. In der Mitte
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