Gregor und die graue Prophezeiung
Flügel der Fledermaus nach unten und sah, wie die Ratten eine nach der anderen an den Felsen zerschellten. Gregor hatte den Boden schon fast erreicht, als Ares ihn aufgefangen hatte. Obwohl die Ratten ihn eben noch hatten töten wollen, konnte Gregor es nicht ertragen, sie jetzt sterben zu sehen. Kurz vor Henrys Aufprall vergrub er das Gesicht in Ares’ Fell und hielt sich die Ohren zu.
Sein Denken setzte erst wieder ein, als sie auf der Erde landeten. Luxa hatte Gregors Vater auf Aurora festgebunden. Temp sprang hinter Gregor auf Ares.
Ein blutiger Ripred stand mit drei anderen Ratten zusammen, die sich ihm offenbar im letzten Moment angeschlossen hatten. Er sah Gregor mit einem bitteren Lächeln an. »Voller erfreulicher Überraschungen.«
»Was hast du vor, Ripred?«, fragte Gregor.
»Rennen, Junge, so schnell wie der Fluss. Fliege hoch, Gregor der Überländer!«, rief Ripred und rannte den Weg entlang.
»Fliege hoch, Ripred! Fliege hoch!«, rief Gregor, als Ares und Aurora über die Ratte hinwegsausten.
Sie flogen über die Schlucht. Irgendwo unter ihnen lagen König Gorger, seine Rattenarmee und Henry. Hinter der Schlucht tauchten die Fledermäuse in einen großen Tunnel ab, der sich mal hierhin, mal dorthin schlängelte.
Jetzt, da er gerettet war, spürte Gregor allmählich das Grauen, in diese schwarze Leere zu fallen. Er begann am ganzen Körper zu zittern und vergrub das Gesicht tief in Ares’ Nacken, obwohl seine Nase dadurch noch mehr bebte. Er hörte die Fledermaus flüstern: »Ich wusste nichts, Überländer. Ich schwöre dir, ich wusste nichts.«
»Ich glaube dir«, flüsterte Gregor zurück. Wenn Ares von Henrys Verschwörung gewusst hätte, würde Henry jetzt irgendwo fliegen und Gregor wäre …
Die letzten Worte der Prophezeiung fielen ihm wieder ein.
Der Letzte, der stirbt, kann das Blatt noch wenden.
Das Schicksal der acht liegt in seinen Händen.
Drum mahnt ihn zur Vorsicht, sonst springt er daneben,
denn Leben kann Tod sein, und Tod erschafft Leben.
Es ging also sowohl um Henry als auch um Gregor. Henry hatte sich für die Seite der Ratten entschieden. Das hatte das Schicksal der anderen acht bestimmt. Er war danebengesprungen, weil er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, den Ratten zu helfen. Henry musste wegen seiner Entscheidung sterben. Wahrscheinlich hatte er bis zumletzten Moment geglaubt, Ares würde ihn retten. Doch Ares hatte sich dafür entschieden, Gregor zu retten.
»Überländer, wir haben Schwierigkeiten«, flüsterte Ares in seine Gedanken hinein.
»Warum? Was ist los?«, fragte Gregor.
»Aurora und ich wissen nicht, in welche Richtung es zurück nach Regalia geht«, sagte Ares.
»Du meinst, wir haben uns verirrt?«, fragte Gregor. »Luxa hat doch gesagt, ihr findet den Rückweg im Dunkeln.«
»Ja, wir können im Dunkeln fliegen, doch wir müssen wissen, wo es langgeht«, sagte Ares. »Dieses Gebiet wurde von Fliegern noch nicht erkundet.«
»Was schlägt Luxa vor?«, fragte Gregor.
Eine Weile blieb es still. Gregor vermutete, dass Ares sich mit Aurora verständigte. Dann sagte Ares: »Luxa kann nicht sprechen.«
Wahrscheinlich hat sie einen Schock erlitten, dachte Gregor. Nach dem, was Henry ihr angetan hat.
»Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass Aurora einen Riss im Flügel hat, der möglichst bald genäht werden muss, wenn wir weiterfliegen wollen«, fügte Ares hinzu.
Gregor begriff plötzlich, dass er die Verantwortung hatte. »Gut, such einen sicheren Landeplatz aus, ja?«
Der kurvenreiche Tunnel öffnete sich bald über einem großen Fluss. Seine Quelle war ein großartiger Wasserfall,der aus einem Steinbogen dreißig Meter hinab in den Fluss stürzte. Über dem Bogen war ein etwa drei Meter tiefer Felsvorsprung. Ares und Aurora segelten dorthin und landeten. Sie ließen sich alle auf den Stein gleiten.
Gregor lief zu Luxa in der Hoffnung, gemeinsam einen Schlachtplan entwickeln zu können, doch nach einem Blick zu ihr wusste er, dass er allein war. Sie starrte ins Leere und zitterte wie Espenlaub. »Luxa? Luxa?«, sagte er. Aurora hatte Recht, Luxa brachte kein Wort heraus. Weil ihm nichts anderes einfiel, wickelte er sie in eine Decke.
Dann kümmerte er sich um Aurora. Sie hatte einen langen blutenden Riss im linken Flügel. »Ich kann versuchen ihn zu nähen«, sagte Gregor, obwohl ihm die Vorstellung widerstrebte. Er konnte ein bisschen nähen, Knöpfe annähen und kleine Risse flicken. Es war eine unangenehme Vorstellung,
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