Greifenmagier 1 - Herr der Winde
und berichtete dem König in knappen Worten, was sich in der Wüste der Greifen zugetragen hatte und wie es dazu gekommen war, dass er jetzt allein nach Tihannad zurückkehrte. Eles, der bislang unbewegt hinter dem König stand, blickte zu einem Wachmann und nickte dann mit dem Kopf, woraufhin der Gardist eilig hinausging. Anschließend verschränkte der Hauptmann die Arme und schaute grimmig drein.
Obzwar von Kindesbeinen an darin geschult, nicht offen zu zeigen, was er dachte, wirkte der König doch erschüttert auf jemanden, der ihn gut kannte. Iaor setzte sich langsam wieder auf das Sofa. Er stützte einen Ellbogen auf die Armlehne und blickte eine ganze Weile lang ins Leere.
Bertaud zögerte. Er schämte sich zu sehr, als dass er auch nur indirekt um Worte gebeten hätte, die ihn beruhigen oder trösten sollten. Gleichwohl war er nicht mehr in der Lage, einfach zu schweigen. »Iaor ... Das ist keine Nachricht, die ich dir überbringen wollte.«
Der König blickte auf. »Bertaud«, sagte er nach kurzem Zögern, »ich denke nicht, dass ihr - du oder der arme Jasand - dafür verantwortlich gemacht werden könnt, eine solche Entwicklung nicht vorhergesehen zu haben. Ich war es, der hundert Soldaten und eine Magierin entsandt hat, wo es doch jetzt den Anschein hat, ich hätte besser nur dich geschickt.«
Diese Einschätzung fiel deutlich nachsichtiger aus, als Bertaud erwartet hatte oder wohl angemessen gewesen wäre. »Ich war sowohl Jasand als auch Daiane vorgesetzt. Ich hätte ihre Entscheidungen verwerfen können.«
»Warum hast du es nicht?« Im Tonfall des Königs lag nach wie vor kein Vorwurf; es war nur eine Frage.
»Iaor ... ich habe dem eigenen Urteilsvermögen in dieser Sache nicht vertraut.« Bertaud zögerte, wusste nicht recht, wie er die Verwirrung schildern sollte, die ihn in der Greifenwüste befallen hatte. Er wusste auch nicht recht, ob er es überhaupt versuchen wollte. Nein. Er war sicher, dass er es nicht versuchen wollte. Was er glauben wollte, war, dass er gar nicht verpflichtet war, es zu versuchen. Aber ... Iaor musste einfach erfahren, womit er es zu tun hatte.
Einen Augenblick später fuhr er widerstrebend fort: »Diese Wüste ist nicht für Menschen geschaffen. Es fällt schwer, klare Gedanken zu fassen, wenn der rote Wind weht. Ich meine das wortwörtlich. Ich fühlte ... Ich dachte ... Es ist nicht leicht zu beschreiben, aber ich traute den eigenen Gedanken oder Gefühlen nicht. Das ... schien sich bei mir deutlicher zu zeigen als bei Jasand. Und schlimmer noch - oder zumindest ganz anders - als bei Daiane. Und da Jasand und Daiane übereinstimmten, erschien es mir angebracht, ihrer Meinung mehr zu vertrauen als meiner eigenen.«
Iaor nickte langsam. »Ich schicke dich zu Meriemne. Sie kennt sich vielleicht mit dem Leiden aus, das du schilderst. Wirst du sie aufsuchen?«
Bertaud zögerte. Daiane hatte sich der Wüste und den Greifen gegenüber ... unversöhnlich gezeigt. Er stellte fest, dass es ihm sehr widerstrebte, der ältesten Magierin Farabiands gegenüberzutreten und in ihrem runzeligen Gesicht die gleiche Feindseligkeit zu sehen. Allerdings ... war dieser Vorschlag schon beinahe ein Befehl, und wenn er dem Ratschlag nicht folgte, dann würde - und daran hatte er keinerlei Zweifel - sogleich ein königlicher Befehl folgen. Er senkte gehorsam den Kopf. »Natürlich, Iaor.«
Der Wachmann kehrte in Begleitung des Generals Adries zurück, dem man ansah, dass er bereits die schlimme Nachricht erhalten hatte. Er nickte Eles zu, trat zur Seite und blieb schweigend stehen.
Der König begrüßte ihn mit einem kurzen Blick, sprach aber weiter zu Bertaud. »Und was jetzt? Was rätst du mir zu tun?«
Beunruhigt schüttelte Bertaud den Kopf. »Bitte, frag mich nicht. Ich ... traue selbst jetzt nicht meinem Urteilsvermögen. Wirklich, Iaor.«
Die Augen des Königs wurden schmaler.
»Ihr wisst, welchen Rat ich Euch gebe«, sagte Eles zum König und erkundigte sich dann bei Bertaud: »Wie viele Männer wären nötig, um die Arbeit richtig zu erledigen?«
Bertaud widerstrebte sehr, dieses Thema überhaupt anzusprechen. Ihm blieb jedoch nichts anderes übrig, und er antwortete langsam: »Ich habe ganz sicher mehr als hundert Greifen gesehen. Ich wäre nicht überrascht, wenn es dort mehrere Hundert gäbe. Wenn wir davon ausgehen, dass sie nicht nur groß, sondern auch schlau sind ... Ein Dutzend Kompanien müssten es schaffen, sofern Magier die Männer vor Feuer und Wind schützen.
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