Greifenmagier 1 - Herr der Winde
auf den Tisch hinab und auf den Rest vom Brötchen, den sie allmählich zwischen den Fingern zu zerrupfen begann.
»Weißt du ... Wusstest du schon, dass die Wanenteir - die Feuermagier der Greifen, verstehst du? - schon dabei waren, dich in ein Sandikteir, ein Geschöpf des Feuers, zu verwandeln? Wusstest du schon, dass du aufhören musst, ein Sandichboda zu sein, ein Geschöpf der Erde, um eine Feuerkreatur zu werden? Du verlörest dein Festaranka, dein Menschsein, den Teil von dir, der der Erde angehört. Du würdest es nie zurückerhalten.«
Der König hatte den kräftigen Kopf zur Seite geneigt und blickte finster, ja zornig ... um ihretwillen, wie Kes auf einmal klar wurde. Ihr fiel ein, wie sie zornig auf sich selbst gewesen war und sich gefragt hatte, ob sie es erneut werden sollte; aber dieser Zorn war inzwischen weitgehend verblasst. Die Angst vor dem Kaltmagier erstickte sogar die Erinnerung daran. Ihr war einfach nur kalt. Sie schwieg.
»Mein Magier Beguchren Teshrichten, weißt du ... Er sagt, du wärest nicht ganz zum Sandikteir geworden. Noch nicht. Er meint, er könnte dich vom Feuer reinigen ... er und meine anderen Kaltmagier. Du würdest dich jedoch heftig wehren. So heftig, dass du vielleicht dabei stirbst.«
Kes starrte ihn entsetzt an. Bei dem Gedanken, dass dieser kleine weißhaarige Magier sie überhaupt anfasste, wurde ihr übel.
Der König stützte den Kopf auf seine Hand und fasste Kes genau ins Auge. »Du würdest gegen ihn kämpfen, nicht wahr«, schloss er aus ihrem Gesichtsausdruck. »Du magst meinen Kaltmagier nicht, ja? Er mag dich auch nicht, kleine Feuermagierin. Er sagte, das wäre eine natürliche - wie lautet der Begriff noch gleich? - Abneigung, nur stärker. Ja? Also ist Beguchren schlau genug, dich mir zu überlassen, was so am besten ist. Ich bin überhaupt kein Magier. Ich mag dich, kleine Festaranenteir. Ich mag aber nicht, was die Wanenteir mit dir gemacht haben. Magst du es?«
Kes wusste das nicht so recht. Ihr war klar, dass der König die Wahrheit gesprochen hatte: Kairaithin hatte sie tatsächlich zu etwas anderem gemacht, als sie zuvor gewesen war. Doch es fühlte sich nur natürlich an, so zu sein wie jetzt, sich nach der Sonne und der reinen Wüste zu sehnen, nach der Stille zu streben, die im Herzen des Feuers lag ... Sie versuchte auf diesen Gedanken hin im Geiste Kontakt mit der Wüste zu bekommen und zuckte vor den kalten Barrieren zurück, in die der casmantische Magier ihr Bewusstsein gesperrt hatte. Bedrückt kauerte sie sich auf ihrem Stuhl zusammen.
»Du solltest mir helfen«, empfahl ihr der König, der ihr nun gut zureden wollte. »Gegen die Malakteir, nicht gegen dein eigenes Volk; darum würde ich dich nie bitten. Aber gegen die Malakteir - wieso eigentlich nicht? Du hast Familie, ja? Vielleicht einen Liebhaber, der auf dich wartet? Die Malakteir würden dir das wegnehmen. Haben die Wanenteir, die Magier, die diese Verwandlung eingeleitet haben ... haben die dich etwa daraufhingewiesen, was sie getan haben? Hilf mir gegen die Wanenteir, dann geht die Verwandlung wenigstens nicht weiter. Wenn du möchtest, wenn du dir sehnlich genug wünschst, Mensch zu sein, können dir meine Magier deine Festaranka zurückgeben. Sie könnten das Feuer aus dir herausholen. Du könntest ihre Berührung ertragen, wenn du es dir ausreichend stark wünschst. Ja? Ich denke, das könntest du. Ich denke, du bist sehr tapfer.«
Kes wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte Angst, dass alles stimmte, was der König sagte. Gleichzeitig wollte sie nicht, dass es stimmte. Und sie kam sich überhaupt nicht tapfer vor.
»Ja?«, drängte der König sie.
Kes dachte an Kairaithin: an den Schwung machtvoller Flügel vor der lodernden Wüstenhitze, an die Meisterschaft des Greifenmagiers über Feuer und Luft. An seine Macht. An seine strenge Stimme mit den Worten: Du bist wirklich ein Geschenk, wie ich es kaum zu finden gehofft hatte. Er hatte ihr das Gefühl vermittelt ... ihr das Wissen geschenkt ... ihr begreiflich gemacht ... Ihre Gedanken stockten verwirrt. Es war einfach zu schwierig für sie, über Kairaithin nachzudenken. Er hatte sie einer Bindung unterworfen, auf dass sie nicht mehr nach Hause zurückkehren konnte und in der Wüste bleiben musste. Das hatte sie so zornig gemacht.
Jetzt hatte sie zu viel Angst, um zornig zu sein. Die kalte Bindung, die Beguchren ihr auferlegt hatte, kam ihr so viel schlimmer vor als alles, was die Greifen getan hatten, auch wenn
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