Grenzen der Sehnsucht
ergreifen. Stattdessen fällt auf, dass es oft darum geht, ihn persönlich zu verletzen. Manchmal wird dabei bis weit unter die Gürtellinie gezielt.
Vielleicht nimmt man ihm übel, dass er mit seiner ganzen Erscheinung einfach nicht als charismatischer Führer der Schwulenbewegung taugt. Von einem Wowereit hat er so gar nichts an sich.
Wie geht er mit den Anfeindungen eigentlich um?
„Ich hab mich damit abgefunden; irgendwie schadet mir das ja nicht“, sagt Beck zunächst mit ungerührter Miene. „Man weiß meine Kompetenzen zu schätzen.“ Und nach einer kurzen Pause fügt er zähneknirschend hinzu: „Na ja, manche Äußerungen waren schon sehr kränkend. Früher hab ich eine Menge dran zu knapsen gehabt, besonders dann, wenn eine Behauptung schlicht und ergreifend gelogen war. Geärgert hat mich, als man mir vorwarf, ich sei ein Opportunist. Wer mich kennt, weiß, dass das weit hergeholt ist. Wo ich sogar dafür bekannt bin, mit meiner Beharrlichkeit zu nerven, auch meine Parteikollegen! Aber ohne diese Hartnäckigkeit hätte ich einiges nicht erreicht.“
Dass man ihn beschuldigt, mit der Homo-Ehe ein christliches Beziehungsmuster für Schwule und Lesben etabliert zu haben, findet er absurd.
„Die Lebenspartnerschaft ist ein Angebot, das Leben auf einer sozialen Ebene zu gestalten und abzusichern. Mir geht’s nicht darum, Leuten Vorschriften zu machen, wie sie leben sollen. Promiskuität wird in Deutschland doch liberal gehandhabt, es ist kein politisches Thema. Der Bundestag kann doch keine Resolution verabschieden, in dem er Promiskuität begrüßt! Mal abgesehen davon gibt es genug Paare, die in ihre Beziehung Modelle von Promiskuität integrieren können.“
Was bedeutet es für ihn heutzutage, in Deutschland schwul zu sein?
„Der schwulen Kultur fehlt es an Liberalität und Mut zur Vielfalt, es fehlt der Respekt voreinander. Andererseits finde ich es toll, dass man als jugendlicher Schwuler heute ganz andere Möglichkeiten hat als früher. Die Akzeptanz ist größer.“
Und doch muss selbst er immer noch von Politikern dumme Bemerkungen aufgrund seines Schwulseins erdulden, auch wenn es längst nicht mehr so virulent ist wie vor 15 Jahren, als Mitarbeiter des Parlaments unverhohlen auf den Anrufbeantworter des Schwulenreferats stöhnten.
Aber sexistische Sprüche kommen hin und wieder noch vor. Wie zum Beispiel aus dem Mund des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller. Im Bundesrat war neulich ein Streit über das Zuwanderungsgesetz im Gange, da sagte Müller: „Verehrter Herr Kollege Beck, da Sie eben mit Blick auf die Bundesratsbank erklärt haben, dass Sie uns, dass Sie mir in Sachen Härtefallklausel Feuer unter dem Hintern machen, werde ich darüber nachdenken, ob diese Drohung ausgerechnet von Ihrer Seite mich wirklich beeindruckt.“
Man hat Volker Beck vorgeschlagen, sich zur Wehr zu setzen. Andererseits müssen Politiker einstecken können, Beck verzichtete darauf.
„Besonders als Schwuler muss man aufpassen, dass man sich nicht auch noch als Sensibelchen darstellt. Man muss schon eine Menge aushalten, und manchmal will man gar nicht glauben, dass die Vorurteile immer noch so präsent sind.“
Heikel sind manchmal auch vereinzelte Äußerungen aus der eigenen Partei. Zum Beispiel von Antje Vollmer, die neulich gegen das Adoptionsrecht für Schwule und Lesben polemisiert hat, weil sie die „Bipolarität von Mutter und Vater“ für unverzichtbar hält.
„Antje Vollmers Ansicht hat vielleicht mit ihrem schlechten Gewissen als alleinerziehende Mutter gegenüber ihren Kindern zu tun!“
Hoppla, das haut rein! Auch nicht gerade eine Bemerkung, die Persönliches außen vor lässt. Vollmers Argument könnte man ja auch sachlich entkräften.
Apropos Kinder. An der Tür zu Volker Becks Büro hängt ein Plakat, das ihn zusammen mit seinem Lebensgefährten und zwei Kindern im Grünen zeigt. Darauf steht:
„Grün wirkt:
Für Mutter, Vater, Kind
oder Mutter, Mutter, Kind
oder Vater, Vater, Kind
oder Mutter, Kind,
oder Vater, Kind
oder ...“
Seine eigenen Gören sind das nicht auf dem Bild. Hätte er denn gerne welche?
Nach der verdrießlichen Frage zu Antje Vollmer huscht jetzt wieder ein Lächeln über sein Gesicht.
„Ja, ich habe darüber schon oft nachgedacht. Aber dafür ist es mit der für Adoptionen geltenden Altersgrenze von 40 wohl zu spät für mich. Außerdem fühle ich mich nicht defizitär ohne Kinder.“
Stuttgart
Ein San Francisco für
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