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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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Freak.
    »Ganz ruhig«, murmelte ich und sah wieder auf den Brief in meiner Hand. Erinnere dich an dein altes Gesicht. Das konnte nicht so schwer sein.
    Ich starrte meine Spiegelschwester wieder an, aber nichts geschah. Ich stand noch immer als perfekte Verkörperung einer »Herr der Ringe«-Darstellerin vor dem Garderobenspiegel. Verzweifelt lief ich zum Schreibtisch zurück und zückte mein Handy. Mit einigen Tastenklicken fand ich, was ich suchte – ein Foto von meiner Freundin Sara und mir. Eines der üblichen Blödsinnfotos. Ein typischer Schnappschuss aus dem Urlaub, wenn man angetrunken ist und die Funktionen der neuen Handykamera ausprobieren will.
    Es zeigte uns, Arm in Arm, grinsend in Edinburgh. Meine Wangen waren rot, aber ansonsten hielt ich das für eine gute Wiedergabe meines »alten Gesichts«.
    Das aufgeklappte Handy in der Hand, stellte ich mich wieder vor den Spiegel. Meine Augen wanderten immer wieder zu dem kleinen Bildschirm, bis ich das Bild auch vor meinem inneren Auge sah.
    Ich blickte wieder in den Spiegel. In mir wuchs langsam Wärme heran und ich schloss die Augen, um mich besser auf mein ursprüngliches Aussehen konzentrieren zu können. Ja, die Wärme nahm zu. Ich spürte Sonne auf meiner Haut, hörte das Rascheln von Blättern…
    Als ich die Augen wieder aufschlug, blickte mir die strahlende Feline vom Handybild entgegen.
    Erschrocken massierte ich meine Mundwinkel, um das Grinsen zu vertreiben. Meine Wangen blieben aber rot.
    Ich klappte das Handy zu und warf es auf den Tisch, ehe ich auf die Toilette ging, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Als ich mich wieder ansah, war ich noch immer so rot, wie zuvor. Egal, hauptsache das dämliche Grinsen und diese gruselige Elfengrimasse waren verschwunden.
    Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch. Die Tür des Büros wurde aufgeschoben und ich sah auf. »Kay, du solltest…«
    Meine Worte erstarben mir auf den Lippen, als ich sah, dass es sich nicht um den Fey, sondern um eine junge Frau handelte. Sie schien nicht viel älter als ich zu sein. Ihre Erscheinung wirkte unscheinbar, aber die großen braunen Augen stachen aus dem langweiligen Mittelmaß heraus. Mit einem Lächeln wäre sie sicher hübsch. Im Augenblick sah sie aber nicht so aus, als wäre ihr nach Lächeln zumute. Im Gegenteil – das schmale Gesicht war blass und die großen Augen glänzten tränenfeucht. Ihre Handtasche hielt sie nah bei sich. Sie war braun, ebenso gedeckt und unauffällig wie auch ihr Rock und die Strickjacke. Einfache Kleidung, wenn auch gepflegt. Sie wirkte ebenso überrascht mich zu sehen, wie ich sie.
    »Ja bitte, kann ich ihnen helfen?«, fragte ich.
    Sie nickte. »Sie müssen Frau Rot sein, oder?«
    Ich nickte.
    »Herr von Fernden ist nicht da, oder?«, fuhr sie fort. Ihre Stimme war ebenso wie ihr Auftreten. Leise, sanft und ein wenig verschüchtert.
    »Nein. Ich erwarte ihn aber in nächster Zeit«, log ich und bot ihr den Stuhl gegenüber meines Schreibtisches an. Ob Kay wirklich wieder auftauchte, wusste ich nicht, aber sie sah so aus, als wäre ihr etwas Gesellschaft willkommen. Mir auch.
    »Sie sind?«
    »Agnes Marberg.«
    DAS war also unsere heilige Agnes. Sie war attraktiver, als ich es von Kays Beschreibungen her vermutet hätte. Ich stand auf. »Möchten sie Kaffee?«
    Sie bejahte und ich ging zur Küchennische, um einen möglichst starken Kaffee aufzusetzen. Den konnten wir beide gebrauchen. Während die schwarze Brühe durch die Maschine lief, wanderten meine Gedanken wieder zu Kay. Er hatte mir von Agnes erzählt – sie war eine Zeitlang von einem Vampir verfolgt und auch angefallen worden. Ein Vampir…
    Ich runzelte die Stirn, als meine Handfläche zu schmerzen begann. Ich hatte meine Hand zur Faust geballt und die Nägel schnitten in die Haut. Erschrocken öffnete ich sie wieder und sah rote Halbmonde auf der weißen Hautfläche.
    Rasch spülte ich mir das Blut von der Hand und trocknete sie, ehe ich mit der Kanne und zwei Tassen ins Büro zurückkehrte.
    Agnes hatte sich nicht bewegt und sah mich wieder mit diesen großen Augen an. Ich stellte ihr wortlos eine Tasse hin und goss ein.
    »Kann ich ihnen vielleicht schon helfen?«, fragte ich, als ich selbst wieder saß – vor einer dampfenden Tasse Kaffee.
    Agnes sah unschlüssig aus. Schließlich schob sie aber ihre Hand über den Schreibtisch und hielt sie mir hin. Ihre Finger waren klein. In der Hand lag eine winzige Phiole aus Glas, an einer dünnen Kette befestigt. Ein

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