Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
rückten wir enger zusammen. Idwal blieb einen Moment stehen und sprach kurz mit den Jägern und Waldarbeitern, die an der Straße standen. Dann trieb er sein Pferd behutsam an und bedeutete mir mit einem Winken, neben ihm zu reiten. Ich zog meinen Umhang dichter um mich, weil der Nachmittag bereits recht kühl war, und gab meinem Pferde die Sporen.
»Sie haben also alle vier Aspekte«, eröffnete Idwal das Gespräch. Sein Blick zuckte zu den Kugeln, die über mir schwebten, bevor er meinen Eschenholzstab musterte, der in den Schlingen am Sattel befestigt war. Anschließend sah er mich an.
Ich hatte ein Gespräch über meinen Vater oder die angebliche Verlobung erwartet oder beides. Von seinen Worten überrumpelt hielt ich inne. »Ja, Mylord«, antwortete ich nach einem Moment und versuchte, mir meine Verblüffung nicht ansehen zu lassen.
Doch Idwal musste trotzdem etwas bemerkt haben, denn er lächelte. »Ich habe Gerüchte gehört, Lord Hase, aber da ich am Meer lebe, habe ich eine gesunde Skepsis entwickelt, was Geschichten über die Größe von Fischen angeht.« Er sah mich erneut von der Seite an. »In Ihrem Fall kann ich jedoch mit eigenen Augen sehen, dass die Gerüchte der Wirklichkeit entsprechen. Ich will verdammt sein, wenn Sie nicht Ihrem Großvater wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Allerdings frage ich mich, was Lord Alain über all diesen Firlefanz gesagt hätte, mit dem Sie sich schmücken.«
»Das weiß ich auch nicht, Mylord.« Meine Stimme war ebenso ausdruckslos wie mein Gesicht. »Er ist gestorben, bevor ich geboren wurde.«
»Allerdings«, erwiderte Idwal. »Er ist gestorben, bevor irgendein Kind von Rafe das Licht der Welt erblickt hat. Allerdings hat das älteste seiner Kinder … es ist ihre Schwester, richtig? Jedenfalls hat sie mit ihrer Geburt nicht nur seinen Tod abgewartet, sondern auch gerade noch Rafes und Hilgas Hochzeit.«
Was ich auch immer empfunden haben mochte, als ich erst unlängst von dem kurzen Zeitraum zwischen der Hochzeit meiner Eltern und der Geburt von Flussregen erfahren hatte, würde ich ganz gewiss nicht vor Idwal ausbreiten. Also blieb ich stumm.
Der Lord von Mearden ließ sich von meinem Schweigen nicht irritieren. »Was er wohl dazu gesagt hätte?«, sinnierte er laut. »Genauso oft habe ich darüber nachgedacht, was Ihr Großvater wohl davon gehalten hätte, dass Rafe davongelaufen ist und sich in einem weit entfernten Land verkrochen hat.«
Ich dachte, dass es mich nicht im Geringsten interessierte, was mein Großvater dazu gesagt hätte, erwiderte jedoch nichts. Idwal lächelte mich erneut strahlend an.
»Ich weiß noch genau, als ich zum ersten Mal hörte, dass einer von Rafes Söhnen nach Iversterre gekommen war. Ich dachte: ›Das kann nicht stimmen, ganz gewiss nicht. Denn angesichts der Gründe, die seinen Vater bewogen haben, das Land zu verlassen, müsste er es besser wissen.‹ Und jetzt sind Sie hier.«
Als ich auch auf diese Bemerkung nicht antwortete, verstärkte sich sein Lächeln.
»Dann hörte ich, dass der König eben diesen Sohn zu seinem Thronerben ernannte, und dachte: ›Oh, nein. Das würden die Lords und Berater Seiner Majestät niemals befürworten.‹ Und doch sind Sie jetzt hier und tragen die Farben des Königs.«
Ich blickte starr geradeaus, zwischen die Ohren meines Pferdes und hielt den Mund. Idwal lächelte so breit, dass seine Zähne im Schatten hell blitzten. »Dann hörte ich, dass Seine Majestät das Vermögen des Hauses Dru eben diesem Thronerben überschrieben hat …«
Was zum Teufel? Mein Blick zuckte zu Idwal, und er lachte. Seine haselnussbraunen Augen leuchteten grün.
»Endlich! Eine Reaktion. Aber entspringt sie der Tatsache, dass ich über diese Information verfüge, oder wussten Sie, Lord Hase, selbst nichts davon?«
»Warum haben Sie mich nach Mearden eingeladen?«, erwiderte ich.
»Warum? Aus mehreren Gründen. Vielleicht treten sie ja noch zutage, bevor der Besuch zu Ende geht.« Idwal warf einen Blick auf die schwebenden Kugeln. »Bis dahin versuchen Sie bitte, den Wald nicht niederzubrennen, wenn es Ihnen irgend möglich ist.«
Idwal gab seinem Pferde die Sporen, verließ die Straße und ritt zwischen die Bäume.
Ich zügelte mein Pferd und blickte ihm finster nach. Unser Suchtrupp teilte sich auf und folgte Lord Idwal. Meine Leibwache jedoch war bei mir geblieben, und Ryson sah mich verdutzt an.
»Das verstehe ich nicht«, erklärte er. »Ich dachte, er wollte, dass Sie seine Tochter
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