Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
mir auch ganz recht war. Mehr jedoch überraschte mich, dass ich auch weit von Berenice entfernt platziert worden war. Eigentlich hatte ich erwartet, dass Idwal das Abendmahl nutzen würde, um uns zusammenzubringen. Aber Berenice saß neben ihrer Mutter. Unter Mithilfe von Lady Margriet hatte sie ihr Haar wieder zu einem Dutt hochgebunden und ihr Kleid so gut wie möglich geglättet. Aber sie sah immer noch mitgenommen aus. Im Unterschied zu ihrem Vater hielt sie den Kopf gesenkt, während sie aß, und die Schwellung auf ihrem Wangenknochen wurde allmählich dunkler. Lady Margriet dagegen hob ab und zu den Kopf, meistens, um ihren Ehemann oder ihre Tochter besorgt anzuschauen. Einmal jedoch ertappte ich sie dabei, wie sie mich anblickte beziehungsweise die Luftkugel, die jetzt über meiner Schulter schwebte. Munir musterte mich ebenfalls. Ich ging davon aus, dass die anderen Gäste beim Dinner bestimmt nicht an die vergangene Rauferei erinnert werden wollten, und versuchte, die Kugel diskret verschwinden zu lassen. Es war eher frustrierend als überraschend für mich, dass sie sich meinen Bemühungen widersetzte.
Die einzige Person, die sich prächtig zu amüsieren schien, war Jusson. Ich sah, wie seine schwarzen Augen glänzten, als er sich über sein Essen hermachte; das mochte allerdings auch daran gelegen haben, dass es Bertram gelungen war, sich irgendwie unter die Küchenbediensteten zu schmuggeln. Der Jüngling tauchte während des ersten Gangs wieder auf und blieb dann in der Halle. Er umsorgte die Mitglieder von Jussons Gefolge bei jedem Gang, der serviert wurde. Prinzessin Rajya saß vor ihren Leibwächtern neben Berenice und beobachtete Bertram. Ihr Gesichtsausdruck wirkte zunächst leicht abfällig, doch als sie einen Löffel Suppe gekostet hatte, zuckte er zu dem jungen Koch. Dann zog sie die Augen abschätzend zusammen. Selbst Lord Idwal vergaß einen Moment seine finstere Miene, als er den ersten Bissen genommen hatte. Er nahm sofort einen zweiten, um sich davon zu überzeugen, dass er sich bei dem ersten Bissen nicht getäuscht hatte.
Ich machte mit den Portionen auf meinem Teller ebenfalls kurzen Prozess. Neben mir saß ein wortkarger Lord der Gemarkungen aus dem Norden, der sich mehr für sein Essen als für Gespräche zu interessieren schien, und der Lord aus dem Süden an meiner anderen Seite unterhielt sich leise mit dem Südling neben ihm. Ich hing meinen eigenen Gedanken nach, die gleichermaßen um Berenice und meine unabsichtliche Beschwörung der Luftkugel kreisten. Die Tochter von Mearden hatte endlich ihre Kommunikation mit ihrem Teller beendet und führte ein höfliches Gespräch mit ihrer Mutter und Prinzessin Rajya. Selbst wenn man ihre Verletzungen in Rechnung stellte, gab es nichts an ihr, das mich hätte wünschen lassen, meinen Junggesellenstatus aufzugeben; wie Javes gesagt hatte, passte sie nicht zu meinen Vorstellungen von der Person, die ich irgendwann in der fernen, trüben Zukunft heiraten wollte.
Nur passte das nicht zu der Panik, die mich durchzuckt hatte, als sie im Gedränge erdrückt zu werden drohte, und ebenso wenig zu der Tatsache, dass ich immer noch ihr Haar fühlen und ihr leichtes Parfum riechen konnte. Sie wirkte immer noch schlicht und durchschnittlich, vor allem im Vergleich zu der Prinzessin, die im Licht der Kerzen förmlich zu glühen schien. Ihre Hoheit lächelte über eine Bemerkung von Lady Margriet und zog ihre Augen amüsiert zusammen. Mir schoss unwillkürlich der Gedanke durch den Kopf, dass Suiden ihre Mutter vermutlich nicht aus politischen Gründen geheiratet hatte. In diesem Moment blickte Prinzessin Rajya hoch; sie lächelte weiter, und der Blick ihrer dunklen Augen richtete sich jetzt auf mich. Ich versuchte so gut wie möglich, nicht zusammenzuzucken, und widmete mich wieder meinem Essen. Resigniert hoffte ich, dass Suiden nicht bemerkt hatte, wie ich seine Tochter angeschaut hatte.
Schließlich wurde das Dessert serviert, eine riesige Torte, die die Burg, den Wald und den Hafen darstellte, einschließlich winziger Schiffe, die auf blauem Wasser segelten. Auch sie wurde zügig verzehrt. Als Jusson seine Gabel niederlegte, gab Lord Idwal sofort dem örtlichen Doyen ein Zeichen, der daraufhin aufstand und den Segen sprach. Als uns Seine Eminenz segnete, ließ auch er seinen finsteren Blick über seine Schäfchen gleiten. Sein Kinn war geschwollen, die Kratzer auf der einen Seite seines Gesichtes leuchteten rot und waren zweifellos schmerzhaft.
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