Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
die den Hauptmann umgaben. »Außerdem werde ich meinen Verwalter anweisen, sich umzuhören. Vielleicht findet er heraus, was Hauptmann Javes getrunken hat, und wo.«
»Sollte man irgendwelche Flaschen finden, Ehrenwerter Mearden, dann veranlasst doch bitte, dass sie umgehend zu mir hinaufgeschickt werden«, bat Laurel. »Wenn ich herausfinden kann, womit die Getränke vergiftet sind, hilft mir das vielleicht bei der Behandlung des Ehrenwerten Javes.«
Als wir die Große Halle betraten, ging Bertram sofort zu den Tischen und füllte unsere Teller, während unser Gastgeber uns zu unseren Plätzen neben seiner Frau und seiner Tochter geleitete. Berenice trug ein anderes himmelschreiend hässliches, braunes Kleid und begrüßte mich mit sittsam gesenktem Blick. Welche Vorbehalte Lord Idwal auch gegen mich als möglichen Schwiegersohn haben mochte, er setzte mich zu meiner Überraschung zwischen Berenice und Lady Margriet. Ich unterhielt mich mit den beiden über unverfängliche Themen, während Lord Idwal mich herzlich anlächelte. Als wir uns kurze Zeit später wieder erhoben, akzeptierte Berenice, dass ich ihr meinen Arm und mein Geleit zu den Festlichkeiten anbot.
Jetzt also schritt die Tochter des Hauses gemessen neben mir, ihre Hand immer noch fest auf meinen Arm gelegt. Sie schien die Nachwirkungen der Schläge von der Prügelei des gestrigen Abends überstanden zu haben und bewegte sich anmutig, während sie ständig den Kopf wandte, um das Treiben ringsum, die Geräusche und die Aromen aufzunehmen. Und es gab einiges zu bestaunen. Umherschlendernde Musiker wetteiferten mit dem Geschrei der Akrobaten und den ihre Waren anpreisenden Verkäufern um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Der Stadtbäcker und seine Helfer waren eifrig dabei, zu kneten und zu mischen, während sie in der behaglichen Wärme des Ziegelofens saßen, der in der Ecke ihrer Nische stand. Obwohl ich gerade erst gefrühstückt hatte, inhalierte ich tief das Aroma ihrer Backwaren, in das sich der Duft des heißen Apfelweins von dem Stand nebenan mischte. Im nächsten Moment hörten wir das Donnern von Hufen und einen brausenden Jubel, als jemand auf einem Pferd über die Turnierbahn galoppierte und mit gesenkter Lanze auf den Ring zielte, der vor der Strohpuppe hing. In der entferntesten Ecke zeigte ein Kraftmeier sein Können; auf einer Fläche neben uns begann gerade ein Schwertkampf, während ein Stück daneben Jongleure bunt bemalte Keulen in die Luft schleuderten. Weiter entfernt sah ich Knechte, die in Decken gehüllte Pferde zur Startlinie führten.
Und dazwischen schlenderten Menschen umher. Zahllose Menschen.
Es waren etliche Gäste vom Abend zuvor darunter: die Lords aus Jussons Gefolge, der ansässige Landadel, die Oberschicht der Stadt mitsamt ihren blauen Flecken sowie Prinzessin Rajya und ihr Tross. Aber es waren auch viele weniger vornehme Bürger der Hafenstadt hier sowie Bauern aus der Gegend mit ihren Familien, alle in ihrem Sonntagsstaat. Zwischen sie mischten sich die Diener der Burg und des Königs, die Bewaffneten der Lords, Soldaten, Königstreue, die dienstfrei hatten, turalische Soldaten und Seeleute. Sie bildeten eine vielsprachige Mischung von Gesichtern, Gestalten und Mienen. Es gab rothaarige, bärtige Svlet, die Seeleute des Qarant mit ihrem auffälligen Dialekt, den Jacken und gestreiften Hosen, dunkelhäutige, tätowierte Turalier von dem Kriegsschiff sowie ein buntes Gemisch aus vielen Rassen des Volkes, die von Kvetas Guter Streich stammten. Sie alle gingen, trotteten, latschten, flogen und schossen mit vor Aufregung glänzenden Augen durch die Menge. Zu meiner Überraschung nahmen Idwals Leute ihr Auftauchen gelassen hin. Von den Schreien, dem verächtlichen Schnauben oder der Ängstlichkeit, die Laurels Reise in die Königliche Stadt vor erst wenigen Monaten begleitet hatten, war hier nichts zu sehen oder zu spüren. Vor meinen Augen knickste die Frau eines stämmigen Bauern höflich vor einer geflügelten Fee, die sich ebenfalls verneigte. Der breite Tonfall der Bauersfrau klang dunkel im Vergleich zu der singenden Stimme der Fee, als die beiden sich einen guten Tag wünschten.
»Das ist das Beste daran, wenn man in der Nähe einer Hafenstadt lebt«, erklärte Berenice, während sie einer Gruppe von turalischen Seeleuten nachschaute. Deren Tätowierungen – Fische, Delphine und Seedrachen – hoben sich hell im Sonnenlicht ab, während ihre melodische Sprache von dem Klicken der Armreifen an ihren
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