Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
Vom Netzwerk:
von Klaus«,  las Schwartz den Text auf der Karte vor, » damit Du auch in Ursulas Abwesenheit an Dein Corned Beef herankommst.  – Ein Dosenöffner für Linkshänder.« Schwartz hielt den Fackelmann hoch. »Das ist der Beweis. Du wusstest, dass Kuhnt mit rechts nicht schießen kann. Wärst du sein Mörder, hättest du ihm die Waffe in die linke Hand gedrückt.«
    »Dieses dämliche Weib«, stöhnte Piontek und meinte damit vermutlich Ursula. »Ich hab ihr gesagt, sie soll das Zeug wegschmeißen.«
    »Das wollte sie«, erklärte Schwartz. »Ich sollte ihr nur den Gefallen tun und die Kiste zum Sperrmüll bringen.«
    Piontek schwieg einen Moment lang betroffen. »Ich will doch nur Tobi helfen«, sagte er nach einer Weile leise.
    »Das kannst du. Der Junge wird deine Hilfe brauchen«, erwiderte Schwartz. »Aber ob und inwieweit er schuldig ist, wird allein der Richter entscheiden.«

48
    DIE MILCHSTRASSE:  Eine Spiralgalaxie mit hundert bis dreihundert Milliarden Sternen. Und jeder ist eine Sonne, um die Planeten kreisen und Monde. Wenn man sich das mal reinzieht, wird einem erst klar, wie klein wir sind. Wie winzig. Völlig unwesentlich. Unsere Sorgen, Nöte und Ängste sind weniger als ein Fliegenschiss, gemessen an dem, was da im All so abgeht. Und mittendrin in diesem unvorstellbar großen Universum, hinter den vielen so romantisch funkelnden Sternen, lauert ein Schwarzes Loch. Ein monströser Staubsauger, der jede Materie in sich hineinsaugt. Wie der Strudel in einer Wanne, wenn man den Stöpsel gezogen hat. Ganze Sonnensysteme verschwinden so auf Nimmerwiedersehen im intergalaktischen Abfluss, und auch uns hat die Kreisbewegung drum herum längst erfasst. Wir kommen da nicht mehr raus. Und wenn wir uns nachts die Milchstraße ansehen, starren wir direkt ins Zentrum des Strudels. Irgendwann wird er auch uns verschlungen haben, die Sonne, die Erde, uns alle. Wir sind dann auf der Minusseite des Zahlenstrahls angelangt, Antimaterie, das Gegenteil von Sein. Negative unserer Selbst.
    Irre, finde ich das, und irgendwie beruhigend. Damit kann man jedes Problem relativieren.
    »Kudella?« Jules wunderschön besorgtes Gesicht schiebt sich vor die Milchstraße. »Bist du wach?«
    »Klar, Conchitababy. Hellwach.«
    »Das warst du aber ziemlich lange nicht«, erwidert sie, und jetzt kommt auch Jelena herangekrochen und lächelt mich an.
    »Dein ganzer Arm hat geblutet«, erzählt Jule. »Jelena hat ihr Haarband geopfert. Damit haben wir deinen Arm abgebunden. Tut’s weh?«
    »Geht so«, ächze ich tapfer, denn irgendwie muss ich ja die Peinlichkeit mit der Ohnmacht wieder wettmachen. »Nur ein kleiner Streifschuss, so was haut mich nicht um.«
    »Kugel hat Arteria getroffen«, sagt Jelena ernst, »sehr gefährlich. Man verliert viel Blut. Aber wir haben gestoppt.«
    »Sie will mal Ärztin werden«, erklärt Jule.
    »Okay, Mädels! Kann mir mal jemand verraten, wo wir sind?« Ich will mich aufsetzen, doch das gelingt nicht gleich. Vor allem ein stechender Schmerz im linken Arm lässt mich stöhnend wieder zurücksinken. Scheiße, tut das weh!
    »Langsam, Kudella, langsam«, mahnt Jule, und Jelena tupft mir mit einem feuchten Tuch die Stirn. Irgendwie rührend, wie sich die beiden Süßen um mich kümmern. »Du bist noch schwach.«
    Und das von einer Frau, denke ich. Ich muss unbedingt wieder zu Kräften kommen.
    »Wir sind hier in einem Baumhaus«, klärt mich Jule auf. »Etwas wackelig, aber sicher.«
    »Ein Baumhaus?«
    »Na, so eine Art Hochstand oder Jagdsitz. Bloß eben in einer Baumkrone. War gar nicht so einfach, dich hier hochzukriegen. Zweimal wärst du fast abgestürzt.«
    Gleich zweimal, denke ich, na, dann hab ich wohl einen besonderen Schutzengel.
    »Am Ende waren wir total fertig«, fügt sie hinzu. »Aber wir hatten so einen Schiss, das hat uns irgendwie hier hochgetrieben.«
    Ja, Angst gehört zu den wichtigen Überlebenswerkzeugen des Menschen. Ich sehe mich vorsichtig um. Tatsächlich ist das Ding, auf dem wir uns befinden, eine ziemlich altersschwache Konstruktion. Ein paar morsche Bohlen zwischen zwei Astgabeln gelegt und mit Brettern zusammengenagelt in einer, mir fällt fast das Herz in die Hosentasche, schwindelerregenden Höhe.
    Holy shit , das sind fast zwanzig Meter. »Was für ein Baum ist das?«
    »Haben wir auch schon überlegt«, antwortet Jule. »Jelena meint, das sei eine alte Rotbuche oder so was.«
    Na ja, es ist Nacht, da sieht man nicht, ob die Blätter rot sind oder grün. Vermutlich

Weitere Kostenlose Bücher