Grenzwärts
vielleicht aus Verzweiflung getan. In einem Affekt. Aber er hat ganz gezielt die Sache wie einen Selbstmord aussehen lassen. Er wollte die Sache vertuschen. Allein dieser getürkte Abschiedsbrief … Wer hat den eigentlich geschrieben? Du oder er?«
»Das werde ich gerade dir auf die Nase binden.« Piontek winkte ab.
»Mit der Schreibmaschine in eurem Büro.« Schwartz tippte sich gegen die Stirn. »Ich müsst euch sehr sicher gewesen sein, dass ihr damit durchkommt.«
»Wir wären damit durchgekommen. Wenn du nicht …« Er unterbrach sich, seufzte schwer. »Niemand wäre zu Schaden gekommen, kein Unschuldiger verdächtigt …«
»Kuhnt ist zu Schaden gekommen«, widersprach Schwartz scharf, »der Mann ist tot!«
»Der hat’s doch verdient.«
»So sprichst du?« Schwartz sah seinen ehemaligen Ausbilder enttäuscht an. »Ein Polizist? Sind wir wieder so weit, dass wir das Recht in die eigenen Hände nehmen? Um dann wo zu enden?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Klaus. Wir haben nicht zu entscheiden, wer welche Strafe für was auch immer verdient hat. Wir sind Polizisten. Wir klären auf. Richten tun andere.«
»Du hast entschieden, dass mein Junge in den Knast kommt«, entgegnete der alte Piontek.
»Vielleicht lässt ihn der Richter ja wieder laufen.«
»Das glaubst du doch selber nicht.« Piontek beugte sich vor und hielt Schwartz die Hand hin. »Komm! Spring einmal über deinen Schatten, Brauner. Lass uns die Sache begraben.«
»Ich kann nicht.«
»Ist das dein letztes Wort?«
»Ich kann nicht«, wiederholte Schwartz.
»Gut, wie du willst.« Piontek atmete tief durch und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Dann muss ich dir jetzt ein Geständnis machen.«
Schwartz sah seinen Nebenmann erstaunt an.
»Ich habe Jochen Kuhnt umgebracht. Aus Habgier. Weil ich seine Frau wollte und sein Geld.«
»Klaus, das bringt doch nichts«, rief Schwartz.
»Und ob das was bringt«, schrie Piontek zurück. »Bevor mein Sohn in den Knast geht, gehe ich!«
»Tobi hat gestanden!«
»Ich gestehe auch. Und ich habe tolle Motive. Lassen wir doch den Richter entscheiden. Ich bin sicher, er wird mich schuldig sprechen.«
»Du hast ein Alibi. Du warst in der Tanzschule.«
»Das ist getürkt.«
»Die Tanzlehrerin hat es bestätigt.«
»Nur weil ich ein guter Kunde bin. Brauner, du kennst mich. Im Zweifel besorge ich ein paar Zeugen, die das Gegenteil bestätigen.«
»Bist du verrückt geworden, Klaus?« Schwartz konnte es kaum fassen. »Mord aus Habgier – das ist Wahnsinn! Wenn du damit durchkommst, gehst du lebenslänglich in den Bau!«
»Mir egal«, erwiderte Piontek, »ich bin fast sechzig und wollte sowieso kürzertreten. Mein Tobi aber hat sein Leben noch vor sich. Und ich lasse nicht zu, dass es zerstört wird!« Er sah Schwartz lächelnd an. »Und du kannst gar nichts dagegen machen, was, Brauner? Du hast nur Tobis Geständnis und meins. Zwei Geständnisse für nur eine Tat. Sonst nichts, keine Beweise, keine Indizien. Keine einfache Sache für einen Richter. Er wird erleichtert sein, wenn Tobi widerruft.« Er zeigte auf das Gebäude der KPI . »Gut, gehen wir rein, ich will mein Geständnis zu Protokoll geben.«
Schwartz saß unbeweglich.
»Was ist?«, drängte Piontek. »Komm, bringen wir die Sache hinter uns!«
»Das wird nichts, Klaus«, sagte Schwartz tonlos.
»Und ob das was wird. Du hast doch nichts in der Hand.«
»Du wusstest, dass Jochen Kuhnts rechte Hand nicht richtig funktioniert.«
»Ja, nachdem ich die Akten aus Pirna hatte. Und?«
»Nein«, widersprach Schwartz, »du wusstest es schon vorher. Deshalb hast du ja auch die Ermittlungen an dich gerissen. Weil dir natürlich vollkommen klar war, dass dein Sohn dahintersteckt. Tobi hatte das beste Motiv, da musste was passieren, nicht wahr?«
»Und was beweist das? – Nichts.« Piontek lehnte sich zurück. »Nur fürs Protokoll: Ich hab die Ermittlungen an mich gerissen, weil ich mich schützen wollte. Nicht meinen Sohn. Denn ich und niemand sonst hat Jochen Kuhnt umgebracht. Wegen seines Geldes. Und seiner Frau. Die Uschi und ich, wir wollen nämlich heiraten. Und dann habe ich das Ganze als Selbstmord kaschiert.«
»Falsch«, sagte Schwartz, stieg aus dem Wagen und entriegelte die Klappe zum Kofferraum. Darin befand sich noch immer Ursula Kuhnts Umzugskarton mit dem »alten Kram« ihres Mannes. Schwartz holte den Fackelmann-Dosenöffner heraus und die Glückwunschkarte dazu und setzte sich wieder ins Auto.
»Gestiftet
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