Grenzwärts
allein drauf.
»Hör mal!« Roland legt mir kumpelig seinen Arm um die Schulter. »Wir gehen uns zwar häufig mächtig auf den Sack, aber eigentlich sind wir doch Freunde, oder? Und als solcher rate ich dir, zieh dir einfach mal was Nettes an und sei zur Abwechslung charmant. Lade sie schön ein, mach den Smarten, und alles wird gut. Bist doch sonst so clever.« Er drückt mir drei Hundert-Mark-Scheine in die Hand. »Kleidergeld, okay? Mach dich fein, spiel den guten Kumpel, und du wirst dich mit Jule bestens amüsieren. Kein Grund, Schwein zu sein, klar?« Er lässt mich los, will wieder in seinen Porsche steigen, aber ich halte ihn zurück.
»Zimmernummer?«
»Was?«
»Von dieser Pension.«
»Vier«, antwortet Roland, »das Balkonzimmer zur Kirche raus. Du kannst es nicht verfehlen.«
9
OBERKOMMISSAR ROMEO SCHWARTZ hatte schlecht geschlafen. Die Nacht war unruhig gewesen, gegen ein Uhr war er von Stimmen geweckt worden. Männer mit Taschenlampen strichen um Omas Haus herum.
Was war da los?
Er hatte sich seine Dienstpistole gegriffen, weil er Einbrecher vermutete, aber dann waren es nur Leute aus dem Dorf. Von Josch, dem Schlachter, angeführt und bewaffnet mit Schrotflinten, Heugabeln und Luftgewehren stiefelten sie im Garten herum. Angeblich, um zu schauen, ob bei Oma alles in Ordnung sei.
Schwartz hatte Josch gefragt, ob es hackt.
»Na, wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist«, war Joschs Erwiderung, »hätten wir uns ja gar keine Sorgen gemacht.«
Aber das war weder eine Antwort auf Schwartz’ Frage noch eine Erklärung dafür, warum die anständigen Dittelsdorfer Bürger mit doppelläufigen Flinten durch die Nacht marschierten.
»Du, hier wird viel geklaut, seitdem.«
»Seit wann?«
»Na, seitdem’s bei uns auch die ganzen guten Sachen aus dem Westen gibt. Die Polen und Tschechen montieren alles ab.«
»Deshalb bewaffnet ihr euch? Seid ihr irre?« Schwartz war außer sich. »Und wenn ihr einen erwischt? Knallt ihr den dann ab?«
So sei das doch nicht gemeint, hatten ihn Josch und seine Männer zu beruhigen versucht, aber man müsse sein Eigentum doch schützen, nicht wahr?
»Nur zur Abschreckung. Und wenn wir gewusst hätten, dass du zu Hause bist … Obwohl: Alleine kannst du auch nicht so viel ausrichten gegen das ganze Gangsterpack aus dem Osten.«
»Für so was ist allein die Polizei zuständig!«
Josch und seine Leute hatten gelacht. Die Polizei sei immer da, wo sie gerade nicht gebraucht werde. Die blitzten lieber zu schnelle Autofahrer weg, anstatt sich um die wahren Verbrecher zu kümmern. »Wir sind hier allein auf uns gestellt, das ist reine Notwehr.«
Nichts da! Schwartz hatte die Männer kurzerhand entwaffnet und nach Hause geschickt. Notwehr! Und als Nächstes dann Lynchjustiz und Anarchie, oder was? Nee, nee, nicht mit ihm. Wer sich gut betrage, könne seine Heugabel am Wochenende wieder abholen. Und die Luftgewehre auch. Bei den Schrotflinten allerdings wolle er erst prüfen, ob diese auch registriert und ordentlich angemeldet seien. So hatte er sich um den Schlaf und im Dorf um einige Sympathien gebracht.
Entsprechend gerädert schaukelte er nach dem Frühstück in seiner französischen Sänfte achtundzwanzig Kilometer die Neiße entlang. Durchs idyllische Marienthal, dann Ostritz und Leuba, am Berzdorfer Braunkohletagebau vorbei bis nach Deutsch-Ossig und Görlitz. Knapp vierzig Minuten Fahrt, bevor er vor dem vertrauten, schlichten Ziegelbau der Kriminalpolizeiinspektion in der Gobbinstraße stand. Seiner alten Wirkungsstätte.
Auf den ersten Blick schien sich wenig verändert zu haben. Gut, die Uniformen der Beamten waren andere, sonst aber wirkte alles wie damals, als Schwartz hier seine ersten Dienstjahre als Volkspolizist absolvierte. Grünbeige getünchte Wände, teilweise war die Farbe fleckig geworden und abgeplatzt. Das Linoleum quietschte noch immer unter den Gummisohlen, und hinter dem abgenutzten Empfangstresen der Wache wartete eine etwas gelangweilt wirkende, aber blutjunge Polizeibeamtin in perfekt sitzender Uniformbluse.
»Wollnse sich stellen oder ‘ne Anzeige aufgeben?«
»Weder noch«, antwortete Schwartz und zückte seinen Dienstausweis.
Die Polizistin sah ihn ungläubig an. »Und ich hab mich schon gefragt, warum Sie so relativ gut gekleidet sind. Normalerweise treten Typen wie Sie hier abgerissener auf.«
»Für Sie trete ich erst auf«, erwiderte Schwartz mit leichtem Grimm, »wenn Sie abgetreten sind.«
»Und was kann ich für Sie
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