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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Pionteks rechte Hand. »… damit kann er sich nicht erschossen haben.«
    »Und wenn doch?«, fragte Piontek: »Wenn die Lähmung so schlimm nicht war? Hier steht«, er deutete auf das ärztliche Attest, das noch immer auf den Tisch lag, »nur etwas von teilweiser Lähmung.«
    »Und warum lässt er sich dann ein Holster für die linke Hand anfertigen?«
    »Weil er mit links besser ziehen kann.« Piontek machte es vor. »Wenn’s mal schnell gehen muss, zum Beispiel. Schießen muss er dann sowieso mit beiden Händen.«
    Recht hatte er. »Trotzdem: Warum bemüht Kuhnt die rechte Hand, wenn er’s mit links viel besser kann?«
    »Für Selbstmord hat’s gereicht«, rief Piontek. »Jedenfalls hat Kuhnt ein Motiv. Er weiß nicht mehr ein noch aus und entscheidet sich für die saubere Lösung. Abtreten, und zwar ganz. Dann hat auch die Gattin was davon.«
    »Wieso? Was hat sie denn davon?«
    »Na, sie behält Haus und Hof.« Klaus Piontek wedelte mit den Armen. »Und das ganze Geld! Wenn Kuhnt verurteilt worden wäre, wäre er womöglich schadensersatzpflichtig geworden. Hätte für den Schaden aufkommen müssen, Strafe zahlen und was weiß ich noch alles. Jetzt, wo er tot ist, kann ihm niemand mehr was. Und die werte Gattin ist versorgt.«
    »Na bitte«, nickte Schwartz zufrieden, »da haben wir doch ein Motiv.«
    »Sag ich doch«, bekräftigte Piontek.
    »Nicht für den Selbstmord.« Schwartz erhob sich und trank seinen Kaffee aus. »Ich rede von einem Mordmotiv.«
    »Du meinst …« Auch Tobi machte große Augen. »Die Ursu… – also die Frau von dem Kuhnt …?«
    »Zum Beispiel.« Schwartz packte seine Unterlagen zusammen.
    »So ‘n Quatsch!« Klaus Piontek regte sich auf. »Doch nicht die Ursula!«
    »Kennst du sie gut?«
    »Nur von meinen Ermittlungen.«
    »Das«, lächelte Schwartz, »klang gerade etwas anders.«
    »Die Ursula hätte doch gewusst, dass ihr Mann mit links schießt«, sagte Tobi und sah seinen Vater unsicher an, »oder?«
    »Na, sicher hat sie das«, grummelte der grimmig. »Nee, als Täterin fällt sie aus, das ist völlig unmöglich.«
    »Weil sie«, erkundigte sich Schwartz vorsichtig, »ihrem Jochen die Waffe in die richtige Hand gedrückt hätte?«
    »Der Mann hat sich selbst erschossen!« Der alte Piontek war wütend. »Um seine Ursula zu schützen!«
    Na gut, dachte Schwartz, dann werde ich die trauernde Witwe eben selbst befragen.
    »Schön«, sagte er und lächelte. »Dann wisst ihr ja jetzt erst mal Bescheid. Für die nächsten Tage bin ich euer Kollege.«
    »Um nicht zu sagen Vorgesetzter«, knurrte Klaus Piontek.
    »Aber nein.« Schwartz lachte unsicher. »Das regeln wir geschmeidiger, nicht?« Er ging zur Tür. »Geht noch mal in euch, schreibt alles auf, was euch zu Kuhnt so einfällt. Vielleicht war’s ja wirklich nur Selbstmord.« Er nickte den Pionteks versöhnlich zu. »Aber dann wollen wir das auch zweifelsfrei beweisen.« Er lachte wieder. »Damit hinterher keine Klagen kommen, nicht wahr? – Also! Und vielen Dank für den Kaffee.«
    Er schloss die Tür und machte, dass er wegkam. Nee, nee, nee, sagte er sich, hier stimmt was nicht. Hier stimmt was ganz und gar nicht.
    Die Frage war nur: was?

10
    ALS ER DAS GEBÄUDE   DER KPI VERLIESS,  regnete es. Und so wie es aussah, würde es nicht so schnell wieder aufhören. Das schöne Wetter, die Sonne, der goldene Oktober: Es war vorbei. Jetzt zeigte sich der Herbst von seiner kalten, feuchten Seite. Jetzt begannen die kurzen schummerigen Tage, an denen es nach verbrannter Kohle roch, nach Kachelofenwärme, feuchtem Holz und welkem, matschigem Laub.
    Schwartz war froh, dass er den edlen dunkelblauen Cashmere-Pullover übergezogen und seine nagelneue Barbourjacke mitgenommen hatte. So konnte er stilvoll jedem Wetter entgegensehen. Und als er in seine Déesse stieg und die Scheibenwischer majestätisch über die verregnete Windschutzscheibe glitten, fühlte er sich wie ein schottischer Landlord auf dem Weg zu einem geheimnisvollen Castle in den Highlands von Inverness. Und das war ein wesentlich besseres Gefühl als das, gelinkt zu werden.
    Denn wenn es tatsächlich eine Korruptionsaffäre beim  BGS  gab, wenn wirklich gegen Jochen Kuhnt intern ermittelt worden war, dann hätte es Liliana Petkovic wissen müssen. Stattdessen hatte sie nur von Vermutungen gesprochen, vom Verdacht, dass »Kuhnt in etwas verwickelt« sei. Die Frage war, warum sie verschwieg, dass es bereits konkrete Hinweise gegen den  BGS -Mann gab? Obgleich sie

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