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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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terrassenförmig angelegten Garten über den Hängen von Rosenthal mit Blick auf die Neiße und das dahinterliegende Polen.
    Eine protzige Villa in Karminrot, die jede Stilsicherheit vermissen ließ. Das Dach war mit dunkelgrün glasierten Ziegeln gedeckt, dunkelgrün waren auch die Läden an den neobarock anmutenden Bogenfenstern. Und dann der Stuck, überall war eklektischer Zierrat an die Fassade gepappt, asiatische Drachenköpfe, griechische Säulen, Putten und Engel aus Gips. Sie waren teilweise vergoldet wie die Löwenskulpturen links und rechts der Haustür, sodass man meinte, vor dem Eingang eines Chinarestaurants zu stehen.
    Grauenvoll fand Schwartz das. Absolut grauenvoll, was Menschen mit ihrem Geld so anrichteten.
    Er verharrte einen Moment erschüttert unter seinem Schirm und wollte dann den etwas überdimensionierten Klingelknopf aus poliertem Messing drücken, als sich die Tür unversehens öffnete und eine nicht mehr ganz junge Frau einen großen Umzugskarton vor die Tür stellte.
    »Frau Ursula Kuhnt?«
    »Ja?«
    Schwartz atmete tief durch. So sahen also Leute aus, die ohne jeden Geschmack geboren wurden und zeit ihres Lebens harmlose Mitmenschen mit sündhaft teuren optischen Scheußlichkeiten traktierten. Eine Herrin des Kitsches, etwas zu auffällig geschminkt, ein blondierter Pudelkopf im giftgrünen Kimono.
    »Mein Name ist Schwartz«, stellte er sich vor, und natürlich begann der Pudelkopf zu grinsen, »Kripo Dresden. Ich untersuche den Tod Ihres Mannes. Zunächst erlaube ich mir, Ihnen diesbezüglich mein Beileid auszusprechen. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
    »Wir sind ungestört.«
    Aha. Offenbar dachte diese Ursula Kuhnt trotz des Regens nicht daran, ihn ins Haus zu lassen. Vielleicht war es sogar besser so. Wer weiß, was ihn da drinnen erwartete. Vermutlich Pferdebilder und Hirschgeweihe, putzige Büsten, Windspiele und Setzkästen, klimpernde Spieluhren und plätschernde Zimmerspringbrunnen – lieber Gott, lass die Phantasie an dieser Stelle ruhen.
    »Darf ich mal Ihren Dienstausweis sehen?«
    »Natürlich«, antwortete Schwartz und reichte ihn ihr. »Wie gesagt, ich …«
    »Danke.« Ursula Kuhnt gab ihm den Ausweis zurück. »Ich dachte, der Fall sei abgeschlossen.«
    »Nicht, solange die genauen Umstände des Todes Ihres Mannes ungeklärt sind.«
    »Es war Selbstmord.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Alle sagen das.« Ursula Kuhnt trat einen Schritt zurück, als wolle sie Schwartz jetzt doch ins Haus lassen. Doch der rührte sich nicht von der Stelle.
    »Und Sie«, fragte er stattdessen, »was sagen Sie? Glauben Sie auch, dass es Selbstmord war?«
    »Ich …« Sie schien plötzlich unsicher. »Ich weiß nicht, kann schon sein.«
    »Wirkte er denn irgendwie depressiv auf Sie?«
    »Nicht mehr als sonst. – Wollen Sie nicht doch besser reinkommen?«
    »Danke, das wird nicht nötig sein«, sagte Schwartz unter seinem triefenden Schirm, »ich habe ohnehin nur eine Frage an Sie: Wo waren Sie denn zum Zeitpunkt des Todes Ihres Mannes?«
    »Beim Friseur«, antwortete sie prompt. »Coiffeur Schwaan in Zittau.«
    »Das wissen Sie noch so genau?«
    »Aber ja, warum nicht?«
    »Nun gut.« Schwartz verabschiedete sich und wollte gehen, doch Ursula Kuhnt rief ihn zurück:
    »Ach bitte, wo Sie schon mal hier sind«, sie zeigte auf den Umzugskarton, »könnten Sie die Kiste hier mitnehmen? Ist schwer.«
    Schwartz hob die Augenbrauen. »Wohin soll ich denn den Karton bringen?«
    »Auf den Sperrmüll«, antwortete Ursula Kuhnt. »Es ist nur alter Kram von meinem Mann. Der Container gleich links die Straße runter.«
    Alter Kram von ihrem Mann? Schwartz bückte sich. »Darf ich mal sehen?«
    »Wenn Sie’s anschließend für mich entsorgen, bitte!«
    »Halten Sie mal den Schirm?« Er gab ihn ihr und öffnete umständlich den Karton. Es war wirklich nur Kram. Irgendwelche staubigen Schiffsmodelle und ein alter Deckenventilator, ausgelatschte Schuhe und ein Paar Gummistiefel, zerschlissene Hosen und Pullover, zerfledderte Taschenbücher und abgelaufene Kalender. Ein Dosenöffner für Linkshänder, Marke Fackelmann und gestiftet zum Vierzigsten von einem Klaus,  »damit Du auch in Ursulas Abwesenheit an Dein Corned Beef herankommst« , so stand es auf der beiliegenden Glückwunschkarte.
    Noch seltsamer war ein Fotoalbum. Lauter halb nackte Frauen waren da eingeklebt, in aufreizenden Posen und Spitzenunterwäsche, manche trugen ein Negligee. Unter den Fotos standen die Namen der

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