Grenzwärts
an einer Zigarette, die ihm Liliana Petkovic angeboten hatte.
»Sie haben mich total auflaufen lassen«, beklagte er sich vorwurfsvoll zwischen zwei Hustenanfällen, »wo, zum Teufel noch mal, haben Sie gesteckt?«
»Ich hab mich verfahren«, auch die Petkovic rauchte, »kein Wunder bei dem Nebel überall. Am Ende bin ich irgendwo im Elbsandsteingebirge gelandet.«
»Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, dass hier die Russen sein sollen?« Schwartz war außer sich. »Ich denke, Sie haben das Kennzeichen des Mercedes gecheckt?«
»Das hatten wir auch.« Liliana Petkovic seufzte. »Uns war völlig klar, dass der Wagen auf diesen Professor Salnik zugelassen ist. Seit Jahren schon. Aber genau mit diesem Wagen sind eben auch unsere beiden Russen durch die Oberlausitz gefahren.«
»Unmöglich. Der Wagen wurde seit August nicht mehr bewegt«, mischte sich der drahtige Kloppke in das Gespräch ein und baute sich breitbeinig neben der Déesse auf. »Das haben die beiden heulenden Jungs ausgesagt. Der Vater benutzt das Auto nur noch für Urlaubsfahrten. Seitdem steht er da. Auf dem Grundstück. Ungenutzt.«
»Das kann doch nicht sein«, rief Schwartz und starrte die Petkovic an. »Wie erklären Sie sich das?«
»Es muss eine Dublette geben«, knurrte sie und steckte sich an der Glut der alten eine neue Zigarette an.
»Eine was?«
»Eine Dublette«, erläuterte Kloppke. »Sie suchen sich ein unauffälliges Auto, das auf einen noch unauffälligeren, unbescholtenen Bürger zugelassen ist – und stehlen dann einen Wagen desselben Typs in derselben Farbe. Dann brauchen Sie nur noch die entsprechenden Kennzeichen zu fälschen, und schon gibt es dieses Auto zweimal. Eine Dublette. Terroristen, Bankräuber und sonstige Gangster nutzen so was gern, und der unbescholtene Bürger ahnt nichts. Es sei denn, er bekommt einen Strafzettel aus einer Gegend, in der er mit seinem Wagen hundertprozentig noch nie war …«
»… oder er wird von einem SEK urplötzlich und mitten in der Nacht zu Tode erschreckt«, beendete Schwartz den Satz des drahtigen Hünen. »Danke für die Aufklärung.«
Er warf die Zigarette aus dem Wagen und seufzte. Gott, was für eine Nacht. Aber sie war bald vorbei, im Osten zeichnete sich bereits ein schwacher rötlicher Streifen am Himmel ab. Die Morgendämmerung brach an.
»Die ganze Vorgehensweise passt zu den Gussinskis«, sagte Liliana Petkovic nach einer Weile heiser und formte mit den Lippen Ringe aus Zigarettenrauch. »Wir sind so nah dran!« Sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger, wie nah, aber Schwartz konnte das nicht nachvollziehen.
Diese Wessis! Sie waren sich immer so sicher. Auch wenn sie völlig im Dunkeln tappten.
»Die mischen hier die Szene auf«, sprach Liliana Petkovic weiter, »und haben sich diesen kleinen Hurenbus geschnappt, um ein example zu statuieren.«
Sie sagte tatsächlich example statt Exempel, mit langem a, was auch so eine typische Westmacke war. Dauernd benutzten sie englische Wörter, obwohl es dafür auch deutsche Begriffe gab, die obendrein verständlicher waren.
Damit kaschieren sie ihre Beliebigkeit, pflegte Oma zu sagen. Sprich Englisch, und alle halten dich für Cary Grant.
»Was glauben Sie, wo haben die die Mädchen hingebracht?«, wandte er sich wieder an die Petkovic. »Zurück über die Grenze nach Bogatynia?«
»Kaum.« Sie schüttelte den Kopf. »Eher weiter nach Westen, auf den internationalen Markt. Brüssel, Rotterdam … Und dann raus aus Europa. Die werden weiterverkauft bis nach Südamerika. Manche landen auch im Harem irgendeines arabischen Scheichs.«
Furchtbar, Mädchenhandel wie im Mittelalter. Und seine schöne Heimat an der Neiße wurde zur Drehscheibe für diese Machenschaften.
»Okay«, Schwartz straffte sich, »wir geben eine Fahndung nach den Russen raus.«
»Wie wollen Sie das anstellen?« Die Petkovic spielte mit ihrem Feuerzeug.
»Wir stellen Salniks Wagen sicher«, antwortete er, »und suchen die Dublette.«
»Die Russen werden den Wagen wechseln«, erwiderte Liliana Petkovic, »schneller, als Sie ahnen.«
»Nur, wenn sie von dem Desaster hier erfahren.« Schwartz schloss müde die Augen. »Und das müssen sie nicht. Wenn wir schön den Mund halten.«
»Nachrichtensperre?«
»Wenn Sie das für mich hinbekommen?« Er lächelte schwach. »Dann haben wir alle was davon.«
»Hey«, sie legte ihm behutsam ihre Hand auf den Arm, »es tut mir leid, dass es so schiefgelaufen ist.«
»Die Nummer haben Sie
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