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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Valentin Gussinski mit leiser, sehr drohend klingender Stimme, »du könntest uns entgehen, indem du deinen Bus einfach ins Stadtzentrum stellst, wo viele Menschen drum herum sind, dann hast du dich geirrt.« Er sprach mit dem typischen russischen Akzent, der aus jedem »h« ein »ch« machte und die Umlaute ignorierte.
    »Ich hab den Bus nicht auf den Johannisplatz gestellt«, rief Roland erschrocken, und seine Stimme überschlug sich fast. »Um Gottes willen, wie kommt ihr darauf? Das war ein Versehen!«
    »Ein Versehen!« Die Gussinskis sahen sich spöttisch an.
    »Ja«, bekräftigte Roland, »und ich hätte ihn noch in der Nacht wieder in den Tagebau zurückgebracht, wenn …«
    Igor ließ ihn nicht ausreden. »Wo ist Swetlana?«, fragte er scharf.
    »Swetlana?« Roland verstand nicht gleich.
    »Ja, Swetlana«, nickte Igor. Er ließ Roland los und schnippte sich eine Wollfaser vom Jackett. »Das Mädchen aus deinem Bus.«
    »Moment mal!« Allmählich begriff Roland. »Steckt ihr etwa dahinter?«
    »Wir haben dir nur einen Gefallen getan«, lächelte Valentin kühl, »denn was glaubst du, wie lange der Bus dort gestanden hätte? Auf dem Platz mitten in der Stadt? Keine Stunde. Dann wären gekommen die Bullen und  finito , verstehst du? Aus. Ende. Wir mussten eingreifen.«
    »Wo habt ihr sie hingebracht«, wollte Roland empört wissen, »wo sind die Mädchen?«
    »In Sicherheit«, antwortete Igor ruhig. »Wir haben dir gesagt, wir können nicht warten. Wir haben bezahlt, aber du kannst die Ware nicht liefern. Nun haben wir uns die Ware geholt.«
    »Es gibt nur ein Problem«, setzte Valentin hinzu, »wir haben für sechs Mädchen bezahlt.«
    »Aber in meinem Bus waren sechs«, rief Roland.
    »Eins fehlt«, beklagte Igor, »eine hübsche kleine Weißrussin.«
    »Swetlana«, nickte Valentin.
    Roland spürte, wie ihm der Schweiß am Körper herunterrann. »Ich weiß nicht, wo Swetlana steckt«, beteuerte er. »Warum fragt ihr nicht Kaemper?«
    »Das haben wir bereits getan.« Die Gussinski-Brüder nahmen Roland in die Mitte und führten ihn zum Mercedes.
    »Seine Antwort war, sagen wir, wenig befriedigend.« Die Russen öffneten die Heckklappe, und Roland prallte zurück.
    Denn Kaemper lag im Kofferraum. Eigenartig verdreht, mit einem klaffenden Loch in der Stirn. Er war tot. Sie hatten ihn erschossen.
    »Auch er wollte uns partout nicht sagen, wo die kleine Swetlana ist«, sagte Valentin mit bedauerndem Unterton.
    Und Igor fügte hinzu: »Du hast Zeit bis morgen Mittag. Wenn Swetlana bis dann nicht an uns übergeben ist …« Er deutete unmissverständlich auf den toten Stefan Kaemper und stieg mit seinem Bruder in Rolands schwarzen Porsche.
    Roland starrte wie gelähmt auf die Leiche und rang um Fassung. Das konnte doch nicht … Das durfte nicht wahr sein!
    Hinter ihm heulte der Porsche auf und fuhr mit durchdrehenden Reifen an.
    »Aber ich weiß nicht, wo sie ist!« Verzweifelt rannte Roland seinem Porsche nach. »Verdammt, ich weiß es nicht!«
    Keuchend stand er auf der Straße und zitterte am ganzen Körper. In Angstschweiß gebadet, mit nassem, kalt auf der Haut klebendem Hemd.
    Ein herankommender Linienbus hupte laut. Roland zuckte zusammen, lief zurück auf den Fußsteig und stieß dort fast mit einem radfahrenden Schulkind zusammen. Dann fiel sein Blick auf den im Hof stehenden Mercedes. Die Kofferklappe stand noch immer auf.
    »Scheiße«, flüsterte Roland entsetzt, »Scheißescheißescheiße …«
    Hastig schlug er die Kofferklappe zu.

33
    ICH LIEGE IM UNTERHOLZ,  reglos wie ein Panther auf der Lauer, und spähe durch mein Fernglas. Das Einzige, was Jule mir gelassen hat, diese dumme Nuss! Aber egal, ich habe ja noch meine tschechische Armeepistole. Und ich werde sie einsetzen, falls es hart auf hart kommt. Denn ich muss Jule unter allen Umständen beweisen, dass ich mit dem Überfall auf Rolands Hurenbus nichts, aber auch gar nichts zu tun habe. Nur deshalb bin ich hier.
    Punkt sieben Uhr hatte ich von einer Telefonzelle aus die Autovermietung am Dresdner Flughafen angerufen und prompt erfahren, wer den Vectra gemietet hatte. Bodo Kleinlich – ein echt bescheuerter Name. Die Dame am Telefon war sogar so nett, mir seine Adresse zu geben. Ich hatte ihr nämlich erzählt, von ebendiesem Vectra blöd zugeparkt worden zu sein, weshalb man ja nicht gleich einen Abschleppwagen rufen muss. Viel lieber wolle ich den Fahrer des Fahrzeugs ausfindig machen, damit er seinen Wagen etwas beiseitefährt.
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