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Gretchen

Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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erwartete sie von den Schotten. Marshmellows gab es hier zur Genüge, es war an der Zeit, ein bisschen Spaß zu haben.
    Als der Abend allmählich dämmerte, zog auch die Kälte mit auf. Am Himmel konnten sie drei Krähen sehen, die über etwas kreisten, Aas wahrscheinlich, oder etwas, das noch lebte, aber bald tot sein würde. Sie hatten den Hügelkamm erreicht, die Steigung war mörderisch, tausend Prozent, vielleicht mehr. Neben einer wilden Hecke blieben sie kurz stehen. Um zu verschnaufen. Sie konnten in ein kleines Tal schauen, in dem zwanzig oder dreißig Häuser siedelten. Das Lager der Schotten. Aus der Ferne wirkte es nicht sonderlich brutal, nicht einmal unheimlich. Vereinzelt brannten Lichter in den Häusern. Aus den Schornsteinen qualmte heller Rauch. Es sah wieder einmal total gemütlich aus. Zum Kotzen. Dachte sie. Diese Insel war die Hölle. Nur schlimmer. Doch noch bevor sie um die Hecke bogen, um hinunterzuwandern, wehte der Geruch von totem Fleisch hinüber. Und dann sahen sie die Männer. Große Männer. Kräftige Männer. Sie saßen um ein Lagerfeuer herum. Sie grillten. Sie hielten Stöcke in das Feuer und auf den Stöcken hingen Tiere. Sie sahen aus wie Charles Mansons Familienmitglieder. Laut waren die Männer, bis sie den unerwarteten Besuch bemerkten und beinahe gleichzeitig verstummten. Der älteste und kräftigste von ihnen, eine knorrige Eiche von Mann, stand auf, schmierte seine Hände an seinem blaukarierten Hemd ab, ging auf sie zu, schaute Gretchen Morgenthau mit eisgrauen Augen an, zerfurchte sein Gesicht in tausend Fragezeichen, entspannte ein wenig, gab ihr einen Klaps auf den Po und sagte: »Na Püppchen, alles paletti?«
    Sie überlegte, ob sie den Schotten zuerst vergewaltigen und danach töten sollte oder umgekehrt.
    »Und der junge Kyell. Freude. Große Freude. Dich mal wieder zu sehen. Liebe sei mit dir. Dein Großvater schuldet mir übrigens noch was«, und dabei öffnete das Ungeheuer seinen Schlund und entblößte eine Zahnlücke im Obergebiss, »und da dein Großvater seine Schuld nicht mehr begleichen kann, der Herr hab ihn selig, überlege ich gerade, wie das so ist, als Enkel. Da ist man doch automatisch Erbe. Oder? Glückwunsch. Und ich will mal so sagen, da sind auch Zinsen angefallen, im Lauf der Zeit, kann man ja nicht einfach so unter den Teppich kehren, das wäre nicht richtig, das wäre Betrug, aber so was von. Also heißt es nicht mehr Auge um Auge und Zahn um Zahn, sondern Zahn um drei Rippen und zwei Kniegelenke, plus, als Zeichen deines guten Willens, ausgekugelte Schulter, und, dürfen wir auf keinen Fall vergessen, die gebrochene Nase. Erinner mich bitte dran, ich hab’s nicht so mit merken. Und nimm das bitte nicht persönlich, Kleiner, du bist ja nur Erbe.«
    Kyell spürte Angst, sie kroch von den Zehenspitzen bis hinauf in die Großhirnrinde, oder umgekehrt, das wusste er jetzt nicht, er war durcheinander, aber er wusste, dass er würde kämpfen müssen, wenn es hart auf hart käme, das war er dem Großvater schuldig, den Namen verteidigen und Ehre und so. Aber eigentlich war die Angst viel größer als die Ehre, und er blickte ein wenig verstohlen zu Gretchen Morgenthau, als könnte sie helfen, als wäre sie eine Heldin, als machte ihr so etwas Spaß, Gutes tun, Menschen retten.
    Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, die Situation zu beruhigen, sie war gelernte Deeskalationsexpertin, sie besaß da eine natürliche Begabung, früh erkannt und gefördert. Es gab Orte auf dieser Erde, in denen sie nur »Die Heilige« genannt wurde. Mein lieber Highlander, hätte sie sagen können, derweil sie einen Flusen von ihrem Rock zupft, sollten Sie meinem nichtsnutzigen Assistenten Harm antun, betrachte ich dies als Sachbeschädigung und werde Sie zur Rechenschaft ziehen. Oder einfach nur: Lassen Sie den Unfug! Da wäre sofort Schluss gewesen, natürliche Autorität, dagegen waren Muskeln machtlos. Aber warum hätte sie das tun sollen? Warum sollte sie sich in Jungsangelegenheiten einmischen? Sie wollte da keine Spielverderberin sein, das sollten die beiden mal schön unter sich klären, und gegen ein bisschen Abendunterhaltung hatte sie nun wirklich nichts einzuwenden.
    Manches Mal aber ist die Vernunft nur ein kleines verlorenes Lamm auf einer sonniggrünen Wiese, umkreist von einem ausgehungerten Rudel Wölfe.
    Langsam schloss sie die Augen, und sie wusste auch nicht so genau, warum, sie tat es einfach, und dann, als wäre das Übernatürliche das

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