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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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Pflicht ruft.
     
    Die Susann hatte neues Stopfgarn gebraucht. Da es dringend war, hatte ihr die Frau Bauerin genehmigt, dafür am Morgen nach dem ohnehin fälligen Fleischkauf nochmals kurz für das Garn in die Judengasse hinüberzugehen und gleich auch ihr, der Bauerin, welches mitzubringen, in Schwarz. «Und nicht von dem erstbesten Trödler, sondern von Flörsheim, gelle, das ist doch das beste und außerdem gleich um die Ecke vom Brücklein, da seid Ihr schnell wieder zurück.»
    Die Frau Bauerin ahnt natürlich nicht im Geringsten, dass die Susann, die sich entsetzlich nervös fühlt, noch eine gewisse andere Absicht verfolgt bei diesem Weg.
    Sie ist nämlich inzwischen derart verzweifelt, dass sie nichts unversucht lassen will, das ihr aus ihrer Lage heraushelfen könnte – und sei es der dürrste Strohhalm. Und da wäre eben dieser dünne Schimmer von einer Hoffnung, dass sie dem Jan auf die eine oder andere Weise eine Nachricht zukommen lassen kann. (Falls er nicht ohnehin bald wiederkommt – sie hat Momente, seltene leider, da ist sie sich vollkommen sicher, dass er bald in Frankfurt eintreffen muss. Zur Herbstmesse spätestens!) Mit einer solchen Nachricht eilt es jetzt sehr, denn falls er noch in Petersburg ist, von wo der Weg nach Frankfurt viele Wochen dauert, dann darf es noch knapper ganz bestimmt nicht werden.
    Einmal in der Judengasse, um genau zu sein, bei Flörsheim & Comp. vorm Geschäft und mit dem gesuchten und nunmehr gekauften Garn in der Hand, weiß sie kaum, wie und bei wem sie, ohne Verdacht zu erregen, ihre Frage vorbringen soll. So lange und unschlüssig steht sie herum vor seinem Laden, dass der Kurzwarenhändler Amschel Flörsheim irgendwann wieder aus seiner Tür tritt und fragt, ob sie vielleicht noch einen weiteren Wunsch habe? Einen Wunsch eigentlich nicht, sagt sie, aber sie überlege gerade, sie hätte da nämlich eine Frage, vor einiger Zeit habe sie − und gerade, als sie solcherart auf den heißen Brei zumanövriert, wird sie von hinten angestupst. Einen winzigen Augenblick denkt sie, es ist die Antwort auf ihre Gebete: der Jan. Sie dreht sich um. Ach Jesus, natürlich ist es bloß der Bonum. Himmel. Der hat ihr als Zeuge bei ihren Nachforschungen gerade gefehlt.
    Doch sie kann schnell wieder aufatmen, denn er grüßt nur kurz und setzt direkt seinen Weg zum Einhorn fort.
    So, jetzt darf sie aber nicht mehr kneifen. Heraus damit. Sie habe nämlich, sagt sie dem Flörsheim, letztes Jahr ein paar Wochen vor Weihnachten von einem jüdischen Juwelier Perlen gekauft, kein hiesiger, ein polnischer Jude, der zwischen Holland und Polen oder Russland hin- und herreise, ein kleiner grauer Mann so Ende vierzig, den Namen wisse sie leider nicht. Ob er, Flörsheim, vielleicht wisse, ob der Mann wieder in Frankfurt sei? Oder wann er wiederkomme, die Ware sei so günstig gewesen?
    Da gäb es viele, sagt der Flörsheim, da müsst er schon wissen, wie er heißt, der Juwelier.
    Den Namen weiß sie eben nicht, seufzt die Susann resigniert. (Sie hat auch wirklich nicht damit gerechnet, dass ihr gerade der Flörsheim würde helfen können.)
    Nachdem sie sich aber einmal getraut hat zu fragen, eilt sie jetzt, soweit das Gedränge und der Untergrund eilen erlauben, zu den besseren Kandidaten für ihre Frage, zu denen, die selbst Schmuck verkaufen. Zu dem Juwelier Oppenheimer im Roten Hirsch schräg gegenüber zum Beispiel, in dessen Geschäft sie allerdings niemals vorher einen Fuß gesetzt hat. Und das Ergebnis? Der Oppenheimer (junior) meint auf ihre Frage, er verstehe nicht, was sie von dem Polen wolle, die Firma Oppenheimer habe nun ganz gewiss günstigere Sachen im Angebot als so ein Importeur, der zu gewöhnlichen Handelspreisen einkaufen müsse, und dann noch die Zölle. Bei Oppenheimer sei es selbstverständlich viel billiger, wie wäre es zum Beispiel mit diesen schönen Ohrringen, reines Gold, einmalig, nur sechs Gulden. Das Stück. Nein, sogar alle beide, weil sie es sei. Worauf die Susann dankend ablehnt und verschwindet.
    Um nichts versäumt zu haben, läuft sie ohne viel Hoffnung noch zu dem zweiten Juwelier, weiter oben im Haus Zur Kann . Der bedienende Herr hier grübelt ernsthaft nach über ihrer Frage, immerhin, und dann meint er: So zwei oder drei würden ihm da einfallen, die außer Leipzig und Frankfurt auch Antwerpen oder Amsterdam besuchten, ein gewisser Mordechai aus der Nähe von Krakau zum Beispiel, und auch einem Jontef habe er gelegentlich mal was abgekauft. Da werde

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