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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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sie wohl die Herbstmesse abwarten müssen, bis einer von denen sich wieder blicken lasse. In der Zwischenzeit habe er aber hier ein ganz ausgezeichnetes Angebot, auch Perlen, falls sie daran noch Interesse habe, und wenn er ehrlich sein wolle, so müsse er sogar sagen, dass er zum Kaufen während der Messe gar nicht raten könne, werde doch zur Messe so viel Minderwertiges zu überhöhten Preisen angeboten, am schlimmsten übrigens, und das müsse sie ihm glauben, in den Römerhallen, wo die feinen Herrschaften sich tummeln. Da sei es ja noch dunkler als in der Judengasse, und bei den Wucherpreisen, da sehe keiner zweimal hin in der trügerischen Annahme, dass, was teuer ist, auch gut sein müsse. Er aber, der das ganze Jahr am selben Platz sein Geschäft hat, in der dritten Generation schon, er hat einen Ruf zu verlieren −
    Die Susann unterbricht ihn: Der Kaufmann, den sie meine, habe einen braungrauen Bart, nicht schwarzgrau, nicht rotgrau, sondern braungrau, und wenn sie sich richtig erinnere, habe er blaue Augen gehabt, ob das vielleicht einer von den beiden −
    «Na, na, na! Man könnt ja meinen, das Kind, das das Fräulein unterm Herzen trägt, wär von dem jüdischen Kaufmann, dass Sie mit so einer Inbrunst nach ihm sucht!»
    «Schäm Er sich!», sagt die Susann (wäre sie unschuldig, hätte sie gelacht). Und dann behauptet sie tarnungshalber, aber mit heißen Ohren, sie würde bald einmal zwecks Schmuckkauf vorbeisehen, Perlen interessierten sie besonders. Jetzt müsse sie aber schnell zurück zu ihrem Dienst. Was in der Tat stimmt. Erhitzt und sehr eilig macht sie sich auf den Weg zurück.
    Natürlich musste das so ausgehen. Sie weiß nicht einmal, was ihr die Auskunft gebracht hätte, der Kaufmann sei hier oder dort. Hätte sie ihm dann schreiben lassen? Was denn, etwa, er möge dem Jan ausrichten, sie bekomme ein Kind und er solle schnellstens nach Frankfurt kommen? Da müsste sie sich ja offenbaren, wenn sie mit der Bitte um so einen Brief zu ihrem Schwager Hechtel käme. Und einen berufsmäßigen Schreiber kann sie doch gar nicht bezahlen. Gut nur, dass sie in der Judengasse nicht direkt nach dem Jan gefragt hat mit ihrem vorstehenden, harten Bauch: Von wegen sie suche einen großen jungen Holländer, der im letzten Winter im Gefolge eines jüdischen Kaufmanns hier gewesen sei.
    Genauso gut könnte sie durch die Straßen laufen und lauthals hinausposaunen, sie sei schwanger.
    Am Einhorn meidet sie die Bierstub und mogelt sich durch die Hoftür der Bauerischen Wohnstube in die Küche. Dort lässt sie sich auf den Schemel fallen. Die Hände zittern ihr.
    Sie muss es sich eingestehen ein für alle Mal, dass alle ihre Ausflüchte vor sich selbst, wie sie sei doch nicht schwanger oder der Jan käme noch rechtzeitig und würde sie heiraten, dass die eben nur das sind: Ausflüchte, mit denen sie sich vor der Wahrheit drücken will. Und die ist, dass sie schwanger ist und keinen Mann hat und keine Hilfe von den Schwestern zu erwarten, und dass sie im August oder September heimlich ein Kind bekommen muss und es beiseiteschaffen muss irgendwie, ohne dass es irgendjemand merkt.
    Sie sitzt einfach da. Sie kann nichts mehr denken. Nach einer halben Stunde schreckt sie hoch von der Stimme der Frau Bauerin.
    «Susann? Was macht Ihr da, habt Ihr das Essen noch nicht angefangen?»
    Sie springt auf, ist so sehr woanders, dass sich auf den Tadel nicht einmal ihr Widerspruchsgeist regt. «Ich fang jetzt an, ich hab nur − hab mich nur einen Augenblick ausgeruht.»
    «So? Susann, Ihr müsst heut Nachmittag übrigens nochmal raus für mich. Das macht Ihr doch, gelle. Zum Doktor Metz, der hat mir ein Rezept gegeben, also, ein Gekrakel ist das, das glaub ich nicht, dass der Apotheker das lesen kann. Das soll er mir nochmal ordentlich aufschreiben oder es Euch sagen, wie es heißt. Am besten, Ihr geht so um zwei. Und dass Ihr’s wisst, ich hab gestern dem Doktor Metz erzählt von Euren Umständen mit dem verstockten Blut. Fragt ihn doch bei der Gelegenheit einmal, ob er Euch vielleicht einen Rat in der Sache geben kann. Es geht auf meine Kosten.»
    Sie drückt der Susann das gestern erhaltene Rezept in die Hand, das für Ärzteverhältnisse ziemlich gut leserlich in lateinischer Kurrentschrift abgefasst ist und wohl kaum einem Apotheker Probleme bereiten würde, was die Frau Bauerin auch weiß, aber die Susann ja nicht, gelle. Sie schickt das Mädchen lieber ein bisschen unter Vorwand zum Arzt, als ihm klipp und klar zu

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