Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
nun sehr eingehend und in ihrer ganzen Länge die Susann.
«Meine Frau schickt mich wegen den Rezepten von gestern. Eines wär nicht gut leserlich, und ob der Herr Doktor wohl so nett sein könnten, es nochmal deutlicher aufzuschreiben oder mir den Wortlaut einzuschärfen.»
«Was Sie nicht sagt! Was Sie nicht sagt! Dann geb Sie doch mal her das Rezept, dann werden wir den Makel beseitigen.» Er schreitet zu einem zweiten, kleineren Tisch vorn neben dem Fenster, wo er sich setzt und nach der Lorgnette sowie nach Tinte und Feder greift. «Ach! Na, bei welchem Jüngele von Apothekerlehrling ist die Frau Bauerin denn da gelandet, da werde ich gerad einmal die Abkürzungen ausschreiben, so, und wenn er’s wieder nicht lesen kann − aber ich ahne, ich ahne. Nehm Sie das Rezept mal wieder, nicht, dass Sie’s noch vergisst am Ende. So.»
Er dreht sich auf seinem Stuhl, dass er den Arm auf der Rückenlehne hat und die Susann wieder fest im Blick.
«Und gehe ich denn recht in der Annahme, dass Sie selbst eigentlich ärztlichen Rat nötig hätte, indem mir nämlich die Frau Bauerin gestern von gewissen Umständen bei Ihr gesprochen und mir auch einen nicht zum besten aussehenden Urin gezeigt hat, sodass man doch, ganz ehrlich und unter uns gesprochen, den Verdacht haben muss, dass Sie guter Hoffnung ist?»
Das ist schlimmer als alles, was die Susann sich vorgestellt hat. Die Frau Bauerin hat ihm ihren Urin gegeben! Und er hat’s gesehen im Urin! Das war’s dann wohl. Jesus, wie soll sie da noch rauskommen.
«Von guter Hoffnung weiß ich nichts, aber auch gar nichts», sagt sie hastig mit einem Gefühl im Magen, als flöge sie, «außer eben, dass die Leute schon tratschen über mich, ich sei schwanger, bloß weil mir die Ordinaire ausgeblieben ist, was wirklich ungerecht ist, denn wenn ich mich mit Männern eingelassen hätte, dann würd mich doch die Frau Bauerin bestimmt nicht bis heute behalten haben.»
«Einen Verdacht hat sie aber schon, Eure Frau. Dass Sie schwanger ist.»
«Und gerade wegen des bösen Verdachts würd ich sehr um Ihren Rat und Ihre Hilfe bitten, dass Sie mir meine monatliche Reinigung wieder verschaffen. Es ist doch sicher nicht gesund, wenn der ganze Dreck nicht ausgespült wird.»
Der Doktor Metz lacht auf. «Nein, das ist sicher nicht gesund. Nun hätte ich aber vom Urin her doch gemeint, dass eine Schwangerschaft vorliegt. Was sagt Sie dazu, hat Sie nicht doch was zu gestehen?»
Stark bleiben.
«Ich wüsste nicht, was. Meine Frau hat Ihnen doch sicher schon gesagt, dass mir die Ordinaire von einem Zorn verstockt ist. Ich schwöre Ihnen, das Letzte, woran ich dabei gedacht habe, war eine Schwangerschaft. Deshalb war ich so dumm, das mit dem versiegten Blut gleich meiner Kameradin zu erzählen, und dem gemeinen Aas hab ich’s jetzt zu verdanken, dass alles redet und ich −»
«Wieso, was hat denn die Kameradin damit zu tun?»
«Die hat doch absichtlich das Gerücht in die Welt gesetzt, dass ich schwanger sein soll, um mir zu schaden und mich bei der Frau Bauerin schlechtzumachen. Weil die Frau Bauerin eine von uns beiden loswerden wollte. Zum Glück hat sie trotzdem mich behalten und die Kameradin gefeuert. Die Frau Bauerin kennt mich ja gut genug nach über drei Jahren, dass ich ehrlich bin und es nicht mit Männern treibe. Doch wenn das so weitergeht mit dem Gerede …»
«Na, na, nicht weinen! Hatte Sie denn unter Übelkeiten zu leiden in den letzten Monaten?»
Der Susann wird heiß und kalt. «Einmal ja, bei der Hochzeit von dem Sohn von der Frau Bauerin, aber ich dachte, das wär der Fisch −»
«Nur das eine Mal? Das wird dann auch der Fisch gewesen sein. Ich sehe aber, Ihr Bauch ist etwas dick. War der vorher schon so?»
«Nein, der ist dicker geworden, jedenfalls ist er nie mehr ganz flach so wie früher, und nach dem Mittagessen ist er immer noch etwas dicker, und ich fürchte eben, dass sich das Blut ansammelt. Kann denn das sein?»
«Das kann schon sein. Das kann sich durchaus so verhalten, wie Sie sagt, dass Sie eine Blutstockung hat. Und wenn Sie nicht gelogen hat, dann verhält es sich auch so. Dann wollen wir einmal sehen, was wir für Sie tun können, dass Sie Ihre Reinigung wiederbekommt und das aufgestaute alte Blut endlich loswird aus dem Leib!»
Diese Diagnose hatte der Doktor Metz von seinem Stuhl aus gestellt, aus drei Meter Entfernung zur vollkommen angekleideten Patientin, wie es seinem Stand entsprach. Denn Patienten Betatschen und Befühlen –
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