Griffin, Forrest u. Krauss, Erich
um es zum Bluten zu bringen. Deshalb glauben die Zuschauer bei meinen Kämpfen auch immer, meine Gegner hätten übermenschliche Schlagkraft, dabei reißt meine Gesichtshaut schon bei einem ordentlichen Gähnen auf. Wenn ihr nicht zum »Bluter« werden wollt, müsst ihr eure Platzwunden nähen lassen. Solltet ihr bei der UFC oder einem anderen großen Promoter kämpfen, werdet ihr höchstwahrscheinlich gut versorgt. Aber bei vielen kleineren Veranstaltern ist das nicht der Fall. Ich weiß noch, wie ich nach einem Kampf in der Umkleide von einem Typen genäht wurde, der das Tourettesyndrom hatte. Damit seine Hände nicht zitterten, musste er einen ununterbrochenen Schwall von Flüchen ausstoßen. Scheiße, ficken, Schatzi, ficken, lieb dich, Schatzi! So brabbelte er vor sich hin, während er mir die Nadel in die Haut bohrte. Tatsächlich erwies er sich als recht fähiger Näher, aber so was findet man eben bei kleineren Veranstaltern vor – einen fähigen Tourettekranken, der wie ein Seemann schimpfen muss, um euch nicht irgendetwas Landkartenähnliches ins Gesicht zu sticheln. Wenn ihr wie ich als Anfänger ohne Krankenversicherung unterwegs seid und euch die nächstgelegene Notaufnahme nicht leisten könnt, könnt ihr eure Wunde auch selbst mit Sekundenkleber nähen, denn das Zeug wurde genau für diesen Zweck erfunden. Um diese Art von Gettomedizin anzuwenden, müsst ihr das Blut von der Wunde wischen, diese dann mit den Fingern einer Hand zukneifen und eine kleine Menge Sekundenkleber mit einem Wattestäbchen längs über die Nahtstelle schmieren. Allerdings wird daraus sicher keine ästhetisch ansprechende Narbe, besonders wenn der Cut tief war und innen hätte genäht werden müssen.
Die besten Techniken, um Cuts hervorzurufen
(allesamt laut MMA-Regeln zulässig – oft kampfentscheidend)
Ellbogenstoß von oben
Streifschlag mit Lederhandschuh
Knie ins Gesicht
Ellbogenschlag aus der Mount- oder Guard-Position
Balsam für die Eier
(Zum Thema Selbstvertrauen)
Ich persönlich hatte kaum Selbstvertrauen, als ich mit dem Kämpfen anfing, doch glücklicherweise besaß ich etwas, was diesen Mangel aufwog – mir war scheißegal, was passierte. Ich hatte nichts gegen Niederlagen, solange ich jemandem ins Gesicht schlagen durfte. Das war für mich aufregend und spaßig. Zu dieser Zeit pflegte ich allerdings auch einen »23.-Jahrhundert-Lebensstil«. Falls ihr den Film Flucht ins 23. Jahrhundert nicht kennt: Es geht darin um eine idyllische Gesellschaftsform in der Zukunft, in der alle wunschlos glücklich sind, jedoch im Alter von 30 Jahren zum »Karussell« geschickt werden, wobei es sich in Wirklichkeit um eine Art Hundefutterfabrik handelt. Ich war überzeugt davon, dass ich nicht älter als 30 werden würde, also ging es mir auch am Arsch vorbei, ob ich ein paar Zähne oder Gelenke mehr oder weniger hatte. Eine solche Scheiß-drauf-Einstellung ist ein hervorragender Ersatz für nicht vorhandenes Selbstvertrauen, nur fällt sie einem spätestens dann auf die Füße, wenn man 29 ist – so war es jedenfalls bei mir. Hat man bis dahin nicht wenigstens ein bisschen Selbstvertrauen aufgebaut, schaut es düster aus.
Ratgeberliteratur ist auch keine Lösung (mit Ausnahme von diesem Buch). Ich finde sogar, dass sie uns schadet. Sie ist aus zwei Gründen bösartig: Sie macht einen noch unzufriedener mit sich selbst, ist eine kolossale Zeitverschwendung und kostet einen Arsch voll Geld (seht ihr: drei Gründe statt zwei – ultramännlich). Wenn ihr aus mangelndem Selbstvertrauen heraus das Gefühl habt, einen Ratgeber kaufen zu müssen, macht ihr die Sache noch komplizierter. Dabei müsst ihr nur die Wurzel des Problems erkennen und es beheben. Es ist eigentlich so einfach, aber überall sehe ich Leute, die es mit Ratgebern versuchen, wie den Typen in meiner Subway-Filiale. Jedes Mal, wenn ich bei ihm ein Sandwich kaufe, erzählt er mir vom neuesten Selbstverwirklichungsbuch, das er sich gekauft hat, und wie sehr es sein Leben verändert hat. Ich würde ihm am liebsten sagen: »Alter, du arbeitest bei Subway.« Anstatt ein Dutzend Ratgeber zu lesen und vielleicht ein, zwei Tipps daraus mitzunehmen, solltet ihr lieber etwas analytischer vorgehen.
So habe ich es in meiner Schulzeit gemacht. Wie die meisten 15- oder 16-jährigen Jungs verbrachte ich meine ganze Freizeit in meinem Zimmer, hörte Nine Inch Nails und ritzte mich (in den Songs heißt es doch, man soll das machen, oder?). Ich ging auf eine katholische Schule,
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