Grim - Das Erbe des Lichts
gehört, dass die ersten Sekunden bei einem Kennenlernen über Sympathie und Antipathie entscheiden würden — aber dieser Zwerg hier hatte ihn schon vor seiner Geburt verabscheut, ohne ihn zu kennen, das fühlte er. Mouriers Worte gingen ihm durch den Kopf.
Zwerge mögen keine Gargoyles. Und umgekehrt gilt meist dasselbe. Dem Steinernen Volk ist es nie gelungen, die Macht der Zwerge auf der Smaragdinsel zu brechen, aber die Gargoyles haben es lange versucht — und Kriege waren noch nie geeignet, Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern zu säen.
Grim erinnerte sich daran, dass er erwidert hatte, kein Gargoyle zu sein, sondern ein Hybrid, aber Mourier hatte nur müde gelächelt.
Umso schlechter stehen die Chancen, dass sie dich in ihr Herz schließen,
hatte er entgegnet.
Denn die Menschen im Allgemeinen können viele Zwerge Irlands auch nicht leiden, und Gargoyle und Mensch in einer Person — das sieht kein Zwerg gern.
Grim erwiderte den Blick des Zwergs so freundlich wie möglich und sah zu, wie dessen Miene mehr und mehr versteinerte.
Da legte Theryon sich die Hand auf die Brust, neigte leicht den Kopf und sagte etwas in einer fremden Sprache. Sie hörte sich gurgelnd und kehlig zugleich an, und Grim erkannte sie als Fhorko — die Sprache der Zwerge.
Der Zwerg sah Grim noch einmal durchdringend an. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und eilte in schnellen Schritten durch eine schmale Tür in den hinteren Teil des Pubs. Sie folgten ihm in ein winziges Büro mit breitem Schreibtisch und unzähligen Bücherregalen an den Wänden. Gerade wollte Grim die Tür hinter sich schließen, als der Zwerg sie mit kräftiger Handbewegung zuwarf Auf der Stelle war jedes Geräusch aus dem Schankraum wie abgeschnitten.
»Was wollt ihr?«, fragte der Zwerg wenig freundlich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Theryon ließ die Sonnenbrille in seine Tasche gleiten und verbeugte sich nach Feenart: Er stellte den rechten Fuß vor und führte den rechten Arm in geschmeidigem Bogen fast bis zum Boden, ehe er sich wieder aufrichtete. »Mein Name ist Theryon Amlydar aus dem Hause Harmentys Bhagal. Aus den Kammern des Lichts grüße ich Euch, Sohn der Dunkelheit, und erinnere an die Göttin des Adlers, deren Blut ebenso meines ist wie das Eure — Bruder.«
Grim sah, wie der linke Mundwinkel des Zwergs dessen Bart zum Zucken brachte, während er Theryon anstarrte, der ihn mit der offiziellen Begrüßungsformel der Alben herausgefordert hatte. Dem Zwerg blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder besann er sich auf ihre gemeinsamen Wurzeln und schloss sich der Huldigung der Göttin Dana an — oder er riskierte es, Theryon zu beleidigen, und wandte sich ab.
Einen Moment lang rührte der Zwerg nicht einmal mehr seinen Mundwinkel. Dann setzte er seinen linken Fuß vor, riss die linke Hand in zackiger Bewegung nach unten und schnellte für einen winzigen Augenblick zusammen wie ein Klappmesser, ehe er wieder aufrecht vor ihnen stand. Grim musste lächeln. Kaum zu glauben, dass so unterschiedliche Geschöpfe wie Feen und Zwerge in den Reihen der Alben dieselben Ahnen besaßen.
»Phorkus Iplon der Dritte«, erwiderte der Zwerg in angemessener Weise. »Sohn des Kravdeos, Enkel des Olko, zugehörig zum Haus der Schwertschleifer, achtzehnte Generation. Aus den Hallen der Dunkelheit erwidere ich Euren Gruß, Sohn des Lichts, und huldige wie Ihr der Göttin Dana und dem Volk der Túatha Dé Danann, deren Blut in meinen Adern fließt ebenso wie in Euren — Bruder.«
Das letzte Wort klang aus seinem Mund ungefähr so herzlich wie der Fluch eines Trolls mit Zahnschmerzen, aber Theryon lächelte und beendete die Begrüßung mit hoheitsvollem Nicken.
»Wir sind gekommen, um die Weisheit der Zwerge zu erbitten«, sagte der Feenkrieger und Phorkus lächelte geschmeichelt hinter seinem Bart. Doch gleich darauf hatte er sich wieder im Griff und kniff die Augen zusammen, als könnte er auf diese Art Theryons Gedanken lesen.
»Ihr begehrt Einlass in unser Reich«, sagte er ohne jede Gefühlsregung. »Ihr wollt in unsere Hauptstadt Imradol. Ihr wollt zum Baron.«
Theryon bestätigte diese Vermutung mit einem kaum merklichen Nicken. »Unheil bedroht die Welt«, erwiderte er. »Düsternisse aus der Vergangenheit unserer Völker, die großes Leid über uns alle bringen werden. Wir wollen uns ihnen entgegenstellen, doch Rätsel liegen auf unserem Weg, die wir nicht durchdringen können. Lange ist es her, dass eine Fee diesen Satz zu einem
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