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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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begleitet von einem gleißend hellen Blitz. Mia verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Erstaunt stellte sie fest, dass sie feuchtes Gras unter den Händen fühlte, und als der Blitz erlosch, umgab sie die samtene Dunkelheit einer sternklaren Nacht. Verwirrt kam sie auf die Beine, ebenso wie die anderen, die wie sie selbst zu Boden geworfen worden waren. Sie befanden sich auf den Hügeln von Tara, die sich in weißem Nebel verloren — demselben Nebel, der in Aldrirs Augen lag. Mia hielt den Atem an, als ihr klar wurde, dass sie in einer Erinnerung gelandet waren — einer Erinnerung des letzten Kriegers des Lichts.
    Kaum hatte sie das gedacht, nahm sie einen süßen, metallischen Duft wahr. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Etwas Feuchtes blieb auf ihrer Haut haften. Der Schreck ließ sie einen Schrei ausstoßen. Entsetzt schaute sie auf ihre Hände und erkannte, dass das, was sie für Tau gehalten hatte, Blut war. Sie wich zurück, stolperte über ein Hindernis und landete der Länge nach auf dem Boden. Stöhnend wandte sie den Kopf — und schaute in die Augen eines Toten. Es war ein junger Mann, kaum älter als sie selbst. Sein rechter Arm war herausgerissen worden, eine schreckliche Wunde klaffte quer über seiner Brust, doch sein Gesicht zeigte eine beklemmende Ruhe. Sein blondes Haar klebte blutverkrustet an seiner Stirn, jede Farbe war aus seinen Lippen gewichen, und seine Augen waren so schwarz, dass Mia sich in ihnen spiegeln konnte. Einst hatte Hoffnung in ihnen geglüht wie ein unsterbliches Licht. Er war für diese Hoffnung in die Schlacht gezogen, das fühlte sie, er hatte an etwas geglaubt und war bereit gewesen, sein Leben dafür zu geben. Nun waren seine Augen leer und kalt. Für einen Moment meinte sie, Jakob ins Gesicht zu schauen — Jakob, der sie anlächelte, Jakob, der weinte, Jakob, der starb.
    Grim trat zu ihr, und als sie ihn ansah, wusste sie, dass er wie sie begriffen hatte, wo sie waren: Sie standen auf einem Schlachtfeld, das getränkt war mit dem Blut unzähliger Gefallener, die dunkel und zusammengesunken auf der Ebene lagen. Da bewegte sich eine der Gestalten. Sie hockte auf dem höchsten Hügel und hielt etwas in den Armen.
    Hortensius setzte sich wortlos in Bewegung, fast schien es, als würde der Zwerg magisch von dieser Gestalt angezogen. Mia griff nach Grims Klaue, es tat ihr gut, seine Wärme zu spüren mitten auf diesem Feld der Toten. Eilig liefen sie Hortensius nach, dicht gefolgt von Theryon, Carven und Remis. Sie hatten den Hügel noch nicht erreicht, als Mia erkannte, dass es Aldrir war, der dort saß — aber es war nicht der Aldrir, den sie in der Gruft gesehen hatte. Dieser Mann war lebendig. Er hielt einen gefallenen Gefährten in den Armen, dessen Körper vom blutverschmierten Umhang des Kriegers verdeckt wurde. Mia legte Carven eine Hand um die Schulter. Er war noch ein Kind, sie war sich nicht sicher, ob er verstand, dass sie in einer Illusion gelandet waren. Auf diesem Schlachtfeld hatte Aldrir die böse Fee Morrígan zurück in die Verbannung getrieben — hier hatte der Orden der Sterne sein Ende gefunden.
    Da hob Aldrir auf dem Hügel den Kopf. Seine Augen waren schwarz, und nun, da Mia genauer hinsah, erkannte sie die Schleier des Todes weit hinten in seinen Pupillen. Er sah Hortensius an, der seinen Blick regungslos erwiderte. »Ich habe vergessen, was Zeit ist«, flüsterte er. »Ich habe vergessen, was Menschen waren und Zwerge und Feen. Sogar meinen eigenen Namen habe ich vergessen in jener schrecklichen Ewigkeit, in die mein Fluch mich getragen hat. Doch eines konnte ich niemals vergessen: dieses Bild. Es ist mein Gefängnis und mein Fluch.« Sein Blick schweifte über das Feld seiner gefallenen Ritter, und für einen Moment wirkte er wie ein sehr alter Mann. »Sie sind mir gefolgt. Sie haben ihr Leben gegeben — für mich. Und ich habe sie betrogen.«
    Mia zog die Brauen zusammen. Wovon sprach Aldrir? Er war der letzte Krieger des Lichts gewesen, er war auf dem Feld der Ehre gefallen — er hatte die Welt vor Morrígan gerettet.
    Als hätte er ihre Gedanken gehört, schüttelte Aldrir den Kopf und sah Hortensius an. »Erzähle es ihnen«, flüsterte er. »Erzähle ihnen, was wirklich geschehen ist.«
    Hortensius zögerte einen Augenblick. Dann nickte er und wandte sich halb zu der Gruppe um. Er stand da wie ein Wanderer zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten. »Ihr wisst, was man sich über den Orden der Sterne erzählt«, begann

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