Grim - Das Erbe des Lichts
Moment nutzte Morrígan aus. Sie sprengte den Bann, den ich auf sie gelegt hatte, entwand mir das Schwert und tötete auf einen Schlag all meine Ritter. Gerade als sie auch mich vernichten wollte, trat Hortensius auf das Schlachtfeld.«
Carven hob die Brauen. »Aber warum habt Ihr das getan? Habt Ihr Eure Meinung geändert?«
Hortensius lächelte ein wenig. »Nein«, erwiderte er sanft. »Ich stellte mich Morrígan nicht aus Gier oder Mordlust entgegen, sondern aufgrund der Freundschaft zu meinem Herrn. Gemeinsam gelang es Aldrir und mir, Morrígan das Schwert abzunehmen. Doch in dem Moment, da Aldrir sie zurück in die Verbannung schickte, verwundete sie mich tödlich.«
Er hielt inne und presste sich die Hand auf seine Narbe. Ein Zittern lief durch seinen Körper und im selben Moment schlug Aldrir seinen Umhang zurück und gab den Blick frei auf den sterbenden Ritter in seinen Armen. Es war Hortensius. Mia fuhr sich über die Augen. Sie wusste, dass sie sich in einer Illusion befand, aber in diesem Augenblick, da sie zwischen dem einen und dem anderen Hortensius hin- und herblickte, wurde ihr dennoch schwindlig.
Aldrir schaute noch einmal über das Schlachtfeld, es war, als söge er all das Leid, das seinetwegen über seine Ritter gekommen war, in einem einzigen Atemzug in sich auf. Er beugte sich über den Sterbenden in seinen Armen und küsste ihn auf die Stirn. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper, er riss die Arme gen Himmel und brüllte einen Zauber, der Mia wie ein Sturmwind ins Gesicht fuhr. Heftiger Donner brachte die Erde zum Beben, Blitze zerrissen das Firmament und sammelten sich in einer einzigen, mächtigen Wolke aus Licht. Atemlos schaute Mia zu dem Schauspiel auf, fühlte die Farben auf ihrer Haut — und schrak zusammen, als die Wolke sich in einem gewaltigen schwarzen Blitz in Aldrirs Brust entlud. Der Krieger des Lichts zuckte unkontrolliert, während sich um ihn herum hauchzarter Nebel bildete. Dann brach er zusammen. Blaue Funken tanzten über seine Haut, während der Nebel sich von ihm zurückzog und sich stattdessen über den sterbenden Hortensius legte. Der Nebel flackerte kurz auf. Dann zog er sich in einer Lanze aus Licht zusammen, stob hoch in die Luft — und schlug krachend in Hortensius' Brust ein. Der Zwerg wurde ein Stück weit emporgehoben, ehe er wieder auf dem Rücken landete. Für einen Moment lag er regungslos. Dann sog er die Luft ein, es kam Mia vor, als täte er es zum ersten Mal. Erleichtert atmete sie auf, als Hortensius sich erhob, doch dann sah sie Aldrir. Graue Schleier flogen über ihn hin wie Geister, die jedes Fünkchen Leben aufsaugen wollten, das in diesem Augenblick aus seinem Körper rann.
»Aldrir rettete mein Leben, indem er seines opferte«, flüsterte Hortensius neben ihr. »So kam es, dass ich überlebte — als einziger Ritter des Ordens. Ich war es, der Aldrirs Kinder in die Oberwelt brachte und dafür sorgte, dass sie zu liebevollen Menschen kamen. Und ich war es, der das Feuer Bromdurs in seinem Erstgeborenen in schwelende Glut verwandelte und ihm auf diese Weise die Gabe der Magie nahm, so weit ich es vermochte.«
Mia sah, wie der Hortensius der Illusion sich neben Aldrir fallen ließ. Tränen standen in den Augen des Zwergs, als er nach der Hand seines Freundes griff. »Niemals wieder«, begann er, und der Hortensius neben Mia sprach seine Worte flüsternd mit. »Niemals wieder soll ein anderer die Macht missbrauchen, die deiner Linie gegeben wurde. Du sollst der letzte Krieger des Lichts sein, den diese Welt zu Gesicht bekommt — ein Krieger, dessen Irrweg in meinem Herzen versiegelt bleiben soll. Niemand wird jemals davon erfahren, das gelobe ich, damit auf die Ahnenreihe deiner Vorfahren kein Schatten fällt.« Er legte die Hand des Sterbenden auf seine Schulter, hielt sie dort fest und erwiderte die Geste. »Für die Freiheit der Welt«, sagte er, und Mia hörte, dass seine Stimme zitterte, als Aldrir leise in seine Worte einfiel. »Denn dafür kämpfe ich: nicht für Mensch oder Zwerg oder Andergeschöpf, nicht für Gut oder Böse, nicht für Tag oder Nacht — nein, nur für eines: Mein Weg ist das Licht.«
Aldrir lächelte, als er Hortensius ansah, und in diesem kleinen Moment war nichts mehr wichtig als dies: die Hand seines Freundes auf seiner Schulter und die Worte des Ordens auf ihren Lippen.
Da zog ein Windhauch über das Feld, eiskalt und flüsternd. Er griff nach den Körpern der Gefallenen. Mit angehaltenem Atem sah Mia, wie
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