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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Jungen um Verzeihung bat, lautlos und in Gedanken.
    Carven erwiderte seinen Blick, für einen Moment kam es Grim so vor, als würde er noch einmal in dem Körper des Jungen stecken und dieselben Gefühle haben wie dieser: Angst, Verzweiflung — und Hass auf sich selbst, ebenso wie eine brennende Zerrissenheit und Einsamkeit, die aus der Kluft in seinem Inneren entsprang wie ein tödliches Gift. Er spürte den Blick Carvens auf seinem Gesicht, diesen hilf- und haltlosen Blick, der aussah, als würde der Junge rückwärts in eine tiefe Finsternis stürzen. Langsam schüttelte Carven den Kopf. Dann sprang er auf, und in einer Geschwindigkeit, dass selbst Grim ihn nicht aufhalten konnte, rannte er durch den langen Gang der Gruft davon.

Kapitel 28

    unkelheit lag über den Dächern der Stadt, eine schwere, kalte Finsternis war es, die Mia frösteln ließ. Suchend schweifte ihr Blick über die Straßen rund um das Jurys Inn, auf dessen Dach sie standen, doch Carven war nirgendwo zu sehen. Er hatte die Kathedrale fluchtartig verlassen und war in die Nacht Dublins abgetaucht wie ein Kiesel, der ins Meer geworfen wurde. Zuerst hatten sie sich aufgeteilt, doch weder Hortensius und Theryon auf den Straßen noch Grim und sie selbst in der Luft hatten den Jungen gefunden. Er konnte überall sein. Remis suchte noch immer in den Straßenzügen rings um die Kirche nach ihm, doch bislang schien ihn seine Spürnase nicht auf die richtige Fährte geführt zu haben. Aldrir, der die Umgebung der Kathedrale nicht verlassen konnte, bemühte sich mit einem Zauber, Carven aufzuspüren, aber bislang hatte auch er keinen Erfolg gehabt, und selbst Asmael, der die Gassen mit seinem scharfen Blick absuchte, hatte ihn nicht gefunden und ließ aus der Ferne mitunter einen heiseren Schrei über die Dächer hallen.
    Regungslos schaute Mia nach Wood Quay nahe der Liffey hinüber. Ein Geflecht aus Schlingpflanzen der Bhor Lhelyn hatte die Bürogebäude der Stadtverwaltung beinahe vollständig eingesponnen. Teilweise ragten die Strukturen der einstigen Wikingersiedlung durch den Beton, die von ihren Erbauern um das Jahr 841 errichtet und vor noch nicht allzu langer Zeit unter den Verwaltungsgebäuden begraben worden war. Nun eroberte sie sich unter dem Einfluss der Feenmagie ihren Platz zurück wie ein Geist, dem neues Leben eingehaucht wurde, so wie auch einige andere Plätze und Gebäude der Stadt, die langsam zu früherem Zauber zurückkehrten. Vereinzelt liefen Menschen zu dieser späten Stunde durch die Nacht. Mia sah ihre teils betörten, teils verunsicherten Gesichter, wenn sie an den schimmernden Pflanzen vorübergingen, und wünschte sich für einen Moment die Ahnungslosigkeit dieser Menschen in ihre eigenen Gedanken. Sie wussten nicht, was hinter der Veränderung ihrer Welt steckte — sie ahnten nichts von der Gefahr, die sie alle töten konnte.
    Mia fuhr sich über die Augen. Warum zum Teufel hatte sie Carven nicht aufgehalten? Sie hätte wissen müssen, dass er mit einer solchen Nachricht nicht umgehen konnte, aber sie hatte nur dagesessen, selbst geschockt und überrascht von den Neuigkeiten, und nicht schnell genug reagiert. Und nun standen sie zu viert auf dem Dach dieses verfluchten Hotels gegenüber der Kathedrale und starrten in die Nacht.
    »Der Krieger des Lichts ist ein Kind«, murmelte Grim nach einer Weile. Es waren die ersten Worte seit Carvens Flucht, die überhaupt jemand sprach. »Er, ein kleiner Junge, soll die Schneekönigin bezwingen.«
    Mia wollte etwas erwidern, irgendetwas, das ihr selbst die Zuversicht zurückgeben konnte, die sie die ganze Zeit über in den sagenumwobenen Krieger des Lichts gesetzt hatte — doch was sollte sie Grim entgegnen? Sie dachte an Jakob und versuchte sich vorzustellen, wie er an ihrer Stelle denken und fühlen würde. Lautlos stieß sie die Luft aus. Er würde an Carven glauben. Doch wie sollte sie das? Wie konnte ein Junge, der noch schwächer war als sie selbst, gegen eine so mächtige Fee wie die Schneekönigin ankommen? Ihre eigenen Worte hallten dumpf in ihr wider.
Noch schwächer als sie selbst.
War sie das nicht — schwach? War es nicht ihre Schuld, dass die Feen in den Besitz des Zepters gekommen waren? Hatte sie die Königin und ihre Schergen nicht in blinder Sehnsucht nach Jakob mit einem Zauber vor der Menschenwelt geschützt?
    »Vermutlich hat er sich irgendwo verkrochen«, fuhr Grim fort. »Er hat die Hose gestrichen voll, so viel steht fest. Aber selbst wenn er kein

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